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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Wissen tief in meinem damals noch winzigen Bauch.
    »Du atmest nicht richtig, Schatz«, sagte Rouenna. Die Vorahnung meiner nahenden Einsamkeit steckte mir im Hals wie ein Hühnerknochen. Langsam ging mir die Luft aus. »Mach’s so wie ich«, sagte Rouenna. Sie atmete langsam ein, hielt die Luft in der Lunge und ließ sie dann über meinem linken Ohr entweichen. Die häufige Verwendung von Sauerrahm und Butter in der russischen Küche hatte ihrem Atem eine neue Qualität verliehen. Schwer und beruhigend lagen ihre Brüste, zurückgebunden mit einer Art breitem Sommerschal, auf meinem Gifthümpel und dem warmen, schwitzigen Fleisch, das ihn umgab, den Ausläufern des Ätna gleich.
    »Oh, wie ich dich liebe«, sagte ich. »Alles, alles an dir liebe ich.«
    »Ich liebe dich auch«, sagte Rouenna. »Du schaffst das schon, Baby. Du darfst den Glauben nicht verlieren.«
    Der Glaube gehörte zu Rouennas Spezialgebieten. Das winzige Zweifamilienhaus ihrer Familie an der Ecke von Vyse Avenue und der 173. Straße in der Bronx quoll beinahe über vor dunkelhäutigen Porzellanmadonnen mit lieblichen Jesuskindern im Arm, gerade so wie die 15 gebärfreudigen Frauen des Haushalts samt Anverwandtschaft ihre kleinen Felicias, Romeros und Clydes nährten: Muttermilch und Ehrerbietung und stille amerikanische Verwüstung allüberall. In den späten Siebzigern, als Rouenna noch im Krabbelalter war, hatte man ihren Wohnblock in Morrisania aus versicherungstechnischen Gründen abgefackelt. Eines Nachmittags war ein anonymer Drohbrief unter der Tür hindurchgeschoben worden, und am Abend tauchten »Abdecker« auf, die Elektrokabel und Wasserrohre aus den Wänden rissen. Rouennas Mutter schützte ihr Kleines mit einer Decke vor der Winterkälte, und als die Nacht anbrach, reihte ihr Haus sich in die Phalanx der Fackeln ein, die den Harlem River an seiner nördlichen Biegung beleuchteten. Von der stillen Unterwürfigkeit der Armen gefestigt, marschierten sie zum Obdachlosenheim hinüber, das ihnen von Verwandten in ähnlicher Lage empfohlen worden war. Ein paar Methodisten, die ihnen zu fressen gaben, gewannen schließlich ihr Vertrauen. Rouennas Mutter besorgten sie Arbeit als Straßenfegerin, und eine der jüngeren, agileren Großmütter wurde als Eisverkäuferin an einer Straßenecke platziert (die Männer waren längst aus dem Haushalt geflüchtet). Die Methodisten halfen ihnen beim Ausfüllen der Formulare für die neuen städtischen Sozialwohnungen, mit denen die Bronx damals langsam wiederbelebt wurde. In den Neunzigern war Rouennas Familie in die untere Mittelschicht aufgestiegen und hatte schon mehr weltliche Güter angesammelt, als ihre ausgelöschten Großstadtseelchen fassen konnten. Und da schneite der »von Gott gesandte reiche Onkel aus Russland« herein, der sich so sehr um das Fortkommen der Tochter sorgte. Wer hier wen rettete, das ahnten sie nicht.
    »Ich weiß, dass du ganz traurig wegen deinem Papa bist«, sagte Rouenna, während sie meinen Hümpel bearbeitete, »aber ich muss schon sagen, er hat dich behandelt wie Scheiße.«
    »Er hat mich nicht genug geliebt?«
    »Erst schleift er dich nach Russland, dann murkst er den Typen aus Oklahoma ab, und jetzt kommst du hier nicht wieder weg. Mein Vater ist ja bestimmt total kaputt, aber wenigstens sorgen wir füreinander. Als ich meiner Mami erzählt habe, dass du Jude bist und kein Methodist, hat sie bloß gesagt: ›Solange er dich gut behandelt.‹«
    »In Russland ist das anders«, sagte ich und küsste Rouenna eine Hand. »Hier ist ein Kind einfach die Verlängerung seiner Eltern. Wir dürfen nicht anders denken oder handeln als sie. Und wir müssen sie stolz und glücklich machen.«
    »Egal«, sagte Rouenna. »Jetzt kannst du jedenfalls tun, was
dich
stolz und glücklich macht, und deinen toten Vater in Frieden ruhen lassen.«
    »Weißt du, was mich stolz und glücklich machen würde?«
    »In mir abspritzen?«
    »Wäsche waschen.«
    Wie bei allen jüdischen Jungen in Russland hatte meine Mutter sich um all meine weltlichen Bedürfnisse gekümmert (von einem abgesehen), aber nachdem Rouenna zu mir in mein gargantueskes Loft im Bankenviertel gezogen war, hatte sie mir eine neue Erfahrung verschafft – den Waschsalon. Zuerst hatte ich darauf bestanden, dass unsere Socken und Unterhosen von einer professionellen Textilpflegerin gewaschen wurden, aber Rouenna lehrte mich, wie einfach, methodisch und befriedigend das Selberwaschen war. Sie brachte mir alles über

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