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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
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Tod selbst sehen, als könnte ich einen Blick auf… auf die andere Seite werfen. Als hätte ich auf einmal die Chance, alles zu begreifen. Verstehst du das?«
    » Vielleicht. Sprich weiter.«
    » Das Leben an sich macht doch nicht besonders viel Sinn, oder? Und deshalb… Ich weiß nicht. Aber ich denke mir, wenn man den Tod versteht, kriegt man vielleicht auch den Rest zu fassen. Und wenn man es dann kapiert hat, ist es vielleicht gar nicht so schlimm. Vielleicht ist da gar nichts, wovor man sich fürchten muss. Vielleicht gibt es gar keinen anderen Sinn als den Tod.«
    » Um Himmels willen, Tony. Warum denkst du so was?«
    » Weil der Tod…«
    Er zögerte.
    » Weil der Tod was?«, fragte sie.
    » Hörst du mir jetzt zu oder nicht?«, rief er. » Es ist wegen meinen Eltern, okay? Weil meine Mum und mein Dad ermordet wurden! Bist du jetzt zufrieden?«
    Ein Ächzen in seinem Ohr. Sie versuchte, den Kopf zurückzuziehen und herumzureißen, um ihn anzusehen, doch er hielt sie fest. Er hätte ihren Blick nicht ertragen. Zuerst wehrte sie sich, doch als sie nicht gegen ihn ankam, ließ sie die Stirn wieder an seine Schulter sinken.
    » Du hast mir erzählt, deine Eltern wären bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
    » Das war gelogen.«
    Wieder wurde geschwiegen und nachgedacht.
    » Und wie war es wirklich? Wer hat sie ermordet?«
    Er kniff die Augen zusammen und wünschte, er hätte es schon hinter sich.
    » Sie wurden ermordet. Mehr musst du nicht wissen. Ich weiß, du als Cop kannst das vielleicht nicht verstehen, aber manchmal sind die Toten wichtiger als der Mörder.«
    Darüber dachte sie einen Augenblick lang nach, bis er spürte, wie ihr Kopf an seiner Schulter nickte. » Doch, das verstehe ich. Aber bitte, Tony, sag mir, was passiert ist. Wer hat deine Mum und deinen Dad ermordet?«
    Ein tiefes Einatmen. » Ich.«
    Er spürte, wie sich ihr Körper anspannte, er spürte ihre Angst. Sie fürchtete sich nicht vor ihm, sondern vor seinen nächsten Worten. Und ließ trotzdem nicht locker.
    » Sag’s mir.«
    Winter biss sich auf die Unterlippe. Er bohrte die Zähne ins Fleisch, er wollte, dass es blutete, er wollte den Schmerz fühlen. Er hatte nichts anderes verdient. Er sehnte sich nach Schmerz.
    » Ich habe meine Mum ermordet. Sie haben gesagt, ich kann nichts dafür, aber ich weiß, dass es meine Schuld war.« Er stieß ein kleines, verbittertes Lachen aus. » Autos bringen keine Menschen um. Menschen bringen Menschen um.«
    » Also ist sie doch bei einem Autounfall umgekommen?«
    » Hörst du mir denn nicht zu? Sie wurde bei einem Autounfall ermordet. Ich habe sie ermordet.«
    Rachel versuchte, ihren Schrecken zu verbergen. Es gelang ihr nicht. » Okay. Sprich weiter, Tony. Ich hör dir zu.«
    Seine Augen schlossen sich. » Sie war erst dreiundzwanzig. Und hübsch, sehr hübsch. Mein Dad war Geschichtslehrer, und sie wollte auch Lehrerin werden. Aber da hab ich ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht.« Rachel wollte etwas sagen, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen. » Wir haben in der Arlington Street gewohnt. Kennst du die? Geht von der Woodlands Road ab.«
    Sie nickte.
    » Ich war fünf. Wenn Mum mal eine Sekunde nicht hingeschaut hat, bin ich zum Spielen auf die Straße gerannt. Sie hat mir tausendmal gesagt, dass ich das nicht darf. Tausendmal. Da sind Autos auf der Straße, hat sie gesagt, da kannst du nicht rumlaufen. Aber ich hab nicht drauf gehört. Und eines Tages hab ich mich mit meinem Fußball aus dem Haus geschlichen, als sie den Abwasch gemacht hat. Ich hab das Ding von Bordstein zu Bordstein gekickt. An der Arlington Bar sind die Autos immer viel zu schnell eingebogen, aber ich dachte, ich wäre schneller. Ich könnte ihnen schon noch aus dem Weg gehen. Aber dieses eine Mal…« Er musste schlucken. » Dieses eine Mal war ich so beschäftigt, dass es schon zu spät war, als ich den Wagen gehört habe. Der Fahrer hat mich noch gesehen, aber da war es nur noch ein knapper Meter. Und ich hab nur noch den Kühlergrill gesehen. Er hat die ganze Welt ausgefüllt. Ja, und im nächsten Moment bin ich durch die Luft geflogen, weg von dem Auto. Ich hab überhaupt nichts kapiert, und plötzlich war da dieses Knirschen, ein furchtbares Geräusch… und dann ist sie auf mir gelandet.«
    » Deine Mum?«
    » Ja. Sie hatte gesehen, wie ich draußen gespielt habe, und ist vor die Tür gegangen, um mich reinzuholen. Da war das Auto fast schon auf mir drauf, und sie hat sich auf die Straße geworfen

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