Snapshot
Gegend hier, aber unsere Hilfe wollte sie nicht. Als wäre sie der Meinung gewesen, dass ihr von anderer Seite schon genug geholfen wurde. Falls du mir folgen kannst.«
Ja , überlegte Narey, denke schon .
» Okay. Haben die Frauen in letzter Zeit von irgendwelchen außergewöhnlich brutalen Kunden erzählt? Von irgendwem, der zu so was imstande wäre?«
» Nein. Nur die übliche Arschlochparade. Typen, die die Mädchen mit Boxsäcken verwechseln oder gerne mal zutreten, wenn sie ihr Geld zurückhaben wollen. Aber natürlich sind sie nicht alle gleich. Manche benehmen sich, als würden sie in den Laden gehen und ein Paar Schuhe kaufen. Tut mir leid, Rachel, aber ich kann dir wirklich nicht weiterhelfen. Es ist nicht mehr wie früher. Viele Mädchen tauchen gar nicht mehr bei uns auf. Heute gibt es Handys und Internet, da wird Sex ganz anders verkauft. Vieles spielt sich hinter verschlossenen Türen ab. Man muss sich nur kurz durchs Internet klicken. Total bequem.«
» Aber das ist doch eigentlich nicht schlecht«, meinte Narey. » Dann sind die Mädchen wenigstens runter von der Straße.«
Joannes Mund schrumpfte zu einem kleinen Punkt. Sie blickte auf den Tresen vor sich und schüttelte den Kopf. » Doch, es ist schlecht. Ich weiß schon, was du meinst, aber als die Mädchen noch das alte Rotlichtviertel beackert haben, wussten wir wenigstens, wo sie waren, und sie wussten, wo sie uns finden konnten. Jetzt sind sie überall in der Stadt verteilt, in manchen Nächten bekommen wir nur noch eine Handvoll Frauen zu Gesicht. Und an der Gefährdung hat sich nicht das Geringste geändert. Wir wollen sie nicht nur von der Straße holen, wir wollen sie aus der ganzen Branche rausholen, verstehst du? Und die paar, die noch hierherkommen, kriegen’s meist schlicht nicht auf die Reihe, sich ein Telefon oder eine scheiß Website zu organisieren. Die verdammte Sucht halt. Die sind so fertig, die können sich nicht mal eine SIM -Karte beschaffen, geschweige denn auf Google den Rock lüpfen.«
» Und Melanie hat dazugehört? Also war sie auch abhängig?« Im Grunde kannte Narey die Antwort schon.
Ein knappes Nicken. » Ja, soweit ich weiß. Und zwar im großen Stil. Ich hätte sowieso drauf getippt, aber die zwei, drei Mädchen, die sie kannten, haben erzählt, dass sie voll auf Crack war. Was natürlich nicht anders zu erwarten war. Egal, warum eine Frau in die Prostitution abrutscht, ob sie ihr Kind oder ihre Abhängigkeit füttern muss, wenn sie erst mal dabei ist, steigt der Drogenkonsum exponentiell an. Das sind nun mal die Tatsachen.«
Nareys Augen huschten zu Corrieri, um sie zu ermutigen, sich auch ins Gespräch einzuschalten. Corrieri, eifrig wie immer, ließ sich nicht zweimal bitten.
» Ja«, fing sie mit nervösem Unterton an, » eine aktuelle Studie hat ergeben, dass von den insgesamt rund eintausend Prostituierten in Glasgow neunhundertfünfzig drogenabhängig sind.«
Joannes Augenbrauen schossen in die Höhe, als hätte Corrieris Redebeitrag ihr Missfallen erregt.
» Aber«, fügte die junge Polizistin schnell hinzu, » natürlich sind Professionelle auch nur Frauen wie du und ich. Das darf man nie vergessen.«
» Meine Güte, Rachel, wo nimmst du die nur immer her?«, fragte Joanne, wandte sich an Corrieri– und wurde laut. » Sie hören mir jetzt mal gut zu, junge Frau. Wenn mir eins auf die Titten geht, dann dieser bescheuerte Ausdruck. Professionelle! Als wären die Mädchen Vollprofis, die jeden Abend auf die Straße gehen wie andere ins Büro! Aber leider sieht die Realität ein wenig anders aus. Jeden verdammten Tag sind meine Klientinnen brutalen Übergriffen, Vergewaltigungen und Raubüberfällen ausgesetzt. Und deshalb tun wir alles, um den ganzen Wahnsinn möglichst professionell zu bekämpfen!«
Als Corrieri sich Hilfe suchend umblickte, nickte Narey ihr zu. Sie würde den Schlamassel schon ausbügeln. » Das ist uns bewusst, Joanne. Und deshalb brauchen wir deine Hilfe. Kannst du mir sagen, wie die Bekannten von Melanie heißen?«
» Was? Nein. Sorry, aber das kannst du dir ja wohl denken. Die Frauen sprechen mit mir, weil sie wissen, dass ich den Mund halten kann. Wenn ich zu den Cops renne, ist damit Schluss.« Immer mehr Wut mischte sich in Joannes Stimme. » Ich kann dir nur sagen, dass die Frauen, die sie kannten, allesamt in Tränen aufgelöst waren. Anscheinend war Melanie nicht gerade ihre beste Freundin, aber wenn es eine von ihnen erwischt, haben sie natürlich alle eine
Weitere Kostenlose Bücher