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Snapshot

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Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
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kurzsichtigen Augen, aber auch weiter unten auf der ebenen Strecke, wo sich die edelsten Designerläden angesiedelt hatten, gingen die Spendensammler im Rudel auf die Jagd. War man einem erfolgreich ausgewichen, lauerten schon zwei weitere, die einen ungefragt um ein paar Minuten Zeit und am besten gleich um die Bankverbindung baten.
    Fröhlich grinsend sprang der Clown vor Winters Nase herum, immer von einem Fuß auf den anderen.
    Winter kratzte seinen letzten Rest Geduld zusammen. » Keine Zeit.«
    » Komm schon, Mann, dauert auch nur ’ne Minute. Gib dir einen Ruck.«
    » Hast du nicht zugehört? Ich hab keine Zeit.«
    Ein breites Grinsen. » Ach, das hast du doch nicht so gemeint.«
    » Verpiss dich, okay?«
    » Mann, was soll das? Ist doch für einen guten Zweck!«
    Unter einem Schwall halblauter Flüche zog er ab. Winter erlaubte sich den Anflug eines Lächelns. Wieder hatte er einen Gutmenschen in einen missmutigen Glasgower zurückverwandelt. So schnell ging das.
    Also weiter, die Buchanan Street hinunter. Langsam kroch der schmierige Regen in seine Klamotten. Warum hatte er den Spendensammler nicht einfach ignoriert? Okay, der Typ war einer von der hartnäckigen Sorte gewesen, aber trotzdem, es war nun mal ein aussichtsloser Kampf. Das nächste Unheil würde nicht lange auf sich warten lassen.
    In einiger Entfernung konnte er bereits die Menschenmenge erkennen. Wie befürchtet. Ein Straßenkünstler.
    Winter hasste Straßenkünstler. Feuerspucker, Zauberer und Entfesselungskünstler waren schon schlimm genug, aber den Vogel schossen immer noch die lebenden Statuen ab. War das denn eine angemessene Beschäftigung für einen erwachsenen Menschen? Sich haufenweise Farbe ins Gesicht zu klatschen und dann einfach stillzuhalten? Wenn das deine Begabung war, dann gute Nacht. Er passierte Diesel, Tiso, White Company und eine mit schwarz-weißem Make-up vollgekleisterte Statue, die auf einem Fahrrad mit Korb am Lenker hockte. Wie so oft hätte Winter das Möchtegern-Standbild am liebsten vom Podest gestiefelt. Mal schauen, ob es seine staunenswerte Versteinerung auch noch aufrechterhalten könnte, wenn es auf dem Boden aufschlug. Aber das hätten die Zuschauer wohl kaum verstanden, denn die meisten schienen aufrichtig beeindruckt. Drüben war eine andere Statue vom Hocker geklettert, um eine zu rauchen und zu telefonieren. Das war ihm schon sympathischer.
    Ja, Winter neigte dazu, sich von seiner mürrischen, menschenfeindlichen Seite zu zeigen– aber er verbrachte nun mal einen Großteil seiner Zeit an den dunklen Rändern der Stadt, und deshalb war es sein gutes Recht, sich über Menschen aufzuregen, die ein ganz normales Leben führten. Die Leute hatten doch keine Ahnung. Und er besaß einfach nicht die nötig e Sanftmut, um nach einer Fotosession mit einem erfolgreichen Selbstmörder, einer tödlichen Massenkarambolage oder einem Drogenopfer in aller Ruhe zuzusehen, wie ein Haufen Idioten sprachlos auf einen Mann glotzte, der ganze fünf Minuten stillhalten konnte. Erst sollte er durch den Sucher auf einen Fünfzehnjährigen mit durchlöcherter Brust starren, und dann sollte er nicht die Fassung verlieren, wenn die Leute auf Schuhe für dreihundert Pfund oder Kleider für einen Tausender starrten? Immerhin war es ihm bisher gelungen, ihre Hohlköpfe nicht gegen die Schaufensterscheibe zu knallen.
    Den riesigen Vodafone-Laden hatte er hinter sich. Weiter die Straße runter lauerten der Princes Square, Hugo Boss und Fraser. Als er beobachtete, wie ein Hare Krishna mit irrem Lächeln und Pferdeschwanz eine verdutzte ältere Dame fragte, ob sie ein Rocker sei, konnte er sich ein Lachen nicht verkneifen. Nein, wahrscheinlich war die Oma kein Rocker. Und ja, wahrscheinlich sollte er ein bisschen mehr Toleranz aufbringen. Es brachte doch nichts, dauernd derart aus der Haut…
    Der Lärm brach an der Ecke Gordon Street über ihn herein. Bisher war er von der Häuserreihe aus Läden und Apartments verschluckt worden, aber kaum hatte er die Straßenecke erreicht, warf es ihn beinahe um. Sirenen, sowohl von Streifenwagen als auch von Krankenwagen. Lautes Geschrei. Da war etwas im Gange, etwas Großes. Winter rannte los. Er musste wissen, was da vor sich ging. So ein Rudel Rettungsfahrzeuge kreuzte nicht wegen eines simplen Handtaschendiebstahls auf. Das durfte er nicht verpassen. Scheiße, warum hatte er seine Ausrüstung nicht mitgenommen? Sein Handy war mit einer halbwegs anständigen Kamera ausgestattet, aber es war

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