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Snapshot

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Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
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kürzester Zeit auf die Nerven ging.
    Den gestrigen Tag hatte Corrieri auf Addisons Anordnung hin damit verbracht, das Polizeinetzwerk nach Hinweisen auf ähnliche Verhaltensmuster durchzuwühlen– nach einem Killer, der seinen Opfern das Make-up wegwischen wollte. Am Schluss hatte sie mit leeren Händen dagestanden. Beziehungsweise nicht mit völlig leeren Händen. In einem Anfall von Übereifer und Versagensangst hatte sie eine lange Liste mit den merkwürdigsten Fetischen diverser Straftäter zusammengestellt, vom Biss ins Ohr über zwanghaftes Putzen bis hin zum Tampondiebstahl. Dieses Werk hatte sie ihrer Chefin dann mit einem dermaßen feierlichen Gesichtsausdruck überreicht, dass Narey sie gleichzeitig in den Arm nehmen und mit einer Ohrfeige zur Vernunft bringen wollte.
    Die York Street lag in der südwestlichen Innenstadt zwischen Argyle Street und Broomielaw. Bis zur Wellington Lane, wo die Nutte umgebracht worden war, waren es nur ein paar Hundert Meter. Das Wish-Beratungszentrum hatte sich in einer einstmals ziemlich imposanten Reihe georgianischer Häuser eingenistet, eingezwängt zwischen einem kantonesischen Restaurant und einem zugenagelten Schaufenster. Die oberen Stockwerke standen heutzutage fast vollständig leer. Seit zwanzig Jahren unterstützte Wish die Prostituierten aus der Gegend, unter anderem mit medizinischer Betreuung. Cops waren dort nicht gerne gesehen, doch die Mitarbeiter des Ladens wussten, dass sie im Grunde auf derselben Seite standen.
    Ein paar Meter vor der Tür hielt Narey inne, um Corrieri die wichtigsten Regeln zu erklären. » Das Reden überlässt du mir, vor allem am Anfang. Später kannst du dann gerne auch mal was sagen. Und falls welche von den Mädchen da sind, starr sie um Gottes willen nicht an. Von der Toten werden sie schon gehört haben, und wahrscheinlich sind sie deshalb sowieso ziemlich fertig. Da müssen wir uns nicht auch noch aufführen wie die Elefanten im Porzellanladen. Mit den Mädchen reden wir nur, wenn es die Mitarbeiter ausdrücklich erlauben. Zeig einfach ein bisschen Respekt, okay? Natürlich sind das alles Professionelle, aber es sind trotzdem Frauen wie du und ich. Vergiss das nicht.«
    Corrieri antwortete mit einem ernsten Nicken und folgte ihrer Vorgesetzten ins Haus.
    An den Tischen saßen einige junge Mädchen und nippten an dampfenden Teetassen. Als sie den Polizistinnen in einer synchronen Bewegung den Rücken zukehrten, stieß die Frau hinter der Theke gegenüber der Tür ein müdes Lachen aus. » Cagney und Lacey! Wie geht’s, Rachel? Ihr wollt wohl die letzten paar Klientinnen vergraulen, die noch den Weg hierherfinden?«
    Ursprünglich stammte Joanne Samuels aus Newcastle. Für Wish arbeitete sie, seit das Beratungszentrum eröffnet hatte, also seit 1992. Sie hatte einen steilen Aufstieg hingelegt, von gefragter Trostspenderin über Ober-Teebeauftragte bis hin zur Chefin. Über die Jahre hatte Wish ein paarmal umziehen müssen– Mietverträge waren abgelaufen, im Zuge der Verwandlung des Rotlichtbezirks in ein internationales Finanzzentrum waren die Mieten in die Höhe geschossen. Doch Samuels, mittlerweile eine füllige Frau Mitte fünfzig, hatte sich ihr freundliches Lächeln und ihren bissigen Humor bewahrt, obwohl sie hinter vorgehaltener Hand sicher die wüstesten Horrorgeschichten zu hören bekam.
    » Ganz gut, Joanne, und selber? Aber Cagney und Lacey? Ich fürchte, du wirst alt.«
    » Das ist wohl kaum zu übersehen, Süße.« Lachend strich sie sich über die grauen Locken, die sie in einen prallen Haarknoten am Hinterkopf gezwungen hatte.
    » Ach, hör auf«, sagte Narey. » Darf ich vorstellen? Julia Corrieri.«
    Corrieris Dienstgrad hatte Narey spontan unterschlagen. Dabei war ihnen zweifellos anzusehen, zu welchem Verein sie gehörten.
    » Freut mich, Julia. Ihr seid bestimmt wegen Melanie hier.«
    Nareys Herz geriet ins Stolpern– Joanne kannte den Namen der Toten! » Du hast sie gekannt?«
    Ein trauriges Kopfschütteln, eine Locke entkam aus dem Haarknoten und wischte Joanne übers Gesicht. » Leider nein. Aber natürlich reden die Mädchen von nichts anderem. Sie ist nie hierhergekommen, aber ein paar von meinen Klientinnen kannten ihren Namen. Aber das war sicher nur ein Deckname. Frag mich nicht, wie sie wirklich hieß.«
    Nareys Hoffnungen schwanden. Eigentlich hätte sie damit rechnen müssen. » Ich hatte gehofft, du könntest mir irgendwie weiterhelfen.«
    » Leider weiß ich selber kaum was. Sie kam aus der

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