Snapshot
doch viel zu blöd, um sich zusammenzureimen, was zur Hölle da wirklich abgeht, und deswegen besinnen sie sich auf ihre größte Stärke: Leute zum Reden bringen. Die zertrümmern jedem die Kniescheibe, der nicht bei drei auf den Bäumen ist.«
» War es derselbe Täter? Oder war Quinn die Rache für Caldwell? Oder soll ich lieber den Mund halten?«
» Also wenn man den Laborjungs glauben darf, war es dieselbe Waffe. Sie sind sich noch nicht ganz sicher, aber wie’s aussieht, war es keine Retourkutsche. Wie’s aussieht, hat die wilde Fahrt gerade erst begonnen. Aber das behältst du hübsch für dich.«
» Verdammt. Andererseits… Ist doch gar nicht schlecht, wenn der Mörder einen Gangster nach dem anderen abknallt.«
» Red keinen Dünnpfiff«, keifte Addison. » Und wenn er halb Glasgow abknallt, irgendeiner hält sich immer für den geborenen Boss. Und der ist meistens noch schlimmer als seine Vorgänger.«
Das klang gar nicht nach Addison. Zeit für einen Themenwechsel, dachte Winter. » Okay, okay. Reg dich ab. Wie sieht’s mit dem Mord in der Wellington Lane aus?«
» Was weiß ich. Da kommen wir erst recht nicht voran. Ich meine, was soll das eigentlich? Zwei fette Obergangster werden hingerichtet, und ich soll einen Nuttenmörder jagen? Musste die Kleine denn ausgerechnet jetzt abkratzen? Egal, ich muss weiter. Bis später.«
Der Themenwechsel war ihm ja wunderbar geglückt. Als das Freizeichen ertönte, fragte Winter sich, in welches Fettnäpfchen er nun schon wieder getreten war. Addison watete schon lange durch den Sumpf der Stadt. Er war keiner, der leicht die Beherrschung verlor, zumindest nicht gegenüber Winter. Aber vielleicht hatten die letzten paar Tage das Fass zum Überlaufen gebracht? In seinem Inneren regte sich eine Erinnerung– Rachel, wie sie gesagt hatte, dass Addison am Quinn-Tatort nicht besonders glücklich gewirkt habe und dass sie dazu eine eigene Theorie habe. Aber wahrscheinlich hatte es nichts zu bedeuten. Addison hatte eben grad ein bisschen viel um die Ohren, und bis zu seinem nächsten Pint war es noch fünf oder sechs Stunden hin. Da wäre es fast schon ein Wunder gewesen, wenn er nicht mies drauf gewesen wäre. Ein Bierchen würde ihn schon auf seine normale Betriebstemperatur herunterkühlen.
Addison und Winter kannten sich schon eine ganze Weile, seit Winters zweiter Woche bei den Cops. Kurz nachdem er die tote Avril Duncanson fotografiert hatte, die wiederum kurz zuvor durch die Windschutzscheibe ihres Renault Clio gesegelt war, waren sie sich zum ersten Mal begegnet. Am Anfang hätte er nicht darauf gewettet, dass er und der viel zu große, ohne Unterlass jammernde Detective Inspector, der die anderen Cops mit seinen abgrundtief bösen Sprüchen das Fürchten lehrte, Freunde werden würden. Doch dann hatte Addison mitbekommen, wie er von seinem Ausflug nach Parkhead am vorigen Tag erzählt hatte, zum Celtic-Spiel– gegen Kilmarnock, gewonnen–, und damit war die Sache geritzt. Addy und er waren Fans derselben Mannschaft. Das Wichtigste hatten sie also schon mal gemeinsam. Addy und er waren Tims, und Tims mussten zusammenhalten. Wobei Tim in diesem Fall nicht für Katholik, sondern für Celtic-Fan stand. Ja, das war ein Unterschied, da waren sie sich einig. Sehr zum Leidwesen seiner Familie hatte Winter sich seit seinem fünfzehnten Lebensjahr nicht mehr in eine Kirche verirrt. Addison dagegen war als Protestant geboren, war aber irgendwann zum wahren Glauben übergetreten. Auch ihm war die Religion scheißegal, aber für Celtic wäre er durchs Feuer gegangen.
Früher, erzählte Addison gerne, sei er ein protestantischer Atheist gewesen, heute sei er ein katholischer Atheist. Er war sechsunddreißig Jahre alt, aber auf Nachfrage behauptete er stur, er wäre siebenundzwanzig. Addy war nicht eitel. Er weigerte sich bloß, die neun Jahre mitzuzählen, in denen die Rangers neunmal in Folge Meister geworden waren. Diese Jahre hatte er aus seinem Gedächtnis gestrichen.
Celtic war ihre eine große Gemeinsamkeit, Bier eine andere, eine Vorliebe, die sie bei jeder Gelegenheit ausführlich auslebten. Natürlich kam ihnen dabei zugute, dass Winter im Gegensatz zu Addys sonstigen Kollegen kein Cop war, denn von der Arbeit redete Addison nur ungern, wenn es Wichtigeres zu tun gab, zum Beispiel trinken. Andererseits wusste Winter durch seinen Job wenigstens, wovon der DI sprach, wenn er ausnahmsweise ein bisschen lästern wollte. Darüber hinaus hatten sie eine weitere
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