Snapshot
gefolgt von Williamson und Addison eintrat, hatte sich der Großteil der eilig zusammengestellten Ermittlungsgruppe bereits versammelt. Auch Narey war gekommen, sie saß in der zweiten von drei Reihen mit jeweils acht Stühlen und blickte aufmerksam nach vorne. Der Superintendent nickte ihr zu, während Addison innerlich stöhnte. Er brannte nicht gerade darauf, seine angriffslustige DS vor einem Haufen Kollegen über die neue Aufgabenverteilung aufzuklären.
Addison schob sich an einigen Zivilfahndern vorbei in Nareys Blickfeld und gestikulierte, bis sie ihn bemerkte. Mit einem entschuldigenden Nicken stand sie auf und drückte sich durch die Reihe zu ihrem Vorgesetzten. Er beugte sich zu ihr hinab und erläuterte ihr in knappen Worten, was Sache war.
» Was? Das ist nicht Ihr Ernst!«
Die ersten Cops drehten sich um, denn Narey war ziemlich laut geworden. Addison versuchte sich an einer geflüsterten Erklärung, hatte aber wenig Erfolg.
» Damit Sie Ihren Platz da oben bei den Bossen einnehmen können, während ich mich brav verziehe und…«
» Meine Damen und Herren!«
Shirleys gebellte Begrüßung brachte sie zum Verstummen. Seine Worte richteten sich an das gesamte Team, doch Narey und Addison war klar, dass vor allem sie gemeint waren. Widerwillig ließen sie voneinander ab und setzten sich.
» Meine Damen und Herren«, wiederholte Temple mit leiserer Stimme, ehe er sich mit einer leicht theatralischen Geste zu den großformatigen Fotografien in seinem Rücken drehte. » Cairns Caldwell.« Eine Kunstpause. » Malky Quinn.«
Zweifellos war allen Anwesenden bekannt, welche Namen auf den Kärtchen neben den blutigen Bildern standen. Shirley wollte ihnen bloß klarmachen, was für eine Tragweite die beiden Morde hatten. Und seine Worte zeigten Wirkung– sämtliche Augen richteten sich auf ihn.
» Ich hoffe, keiner von Ihnen glaubt, diese beiden Morde wären ein Anlass zur Freude«, fuhr er in neutralem Tonfall fort. » Ganz im Gegenteil. Diese beiden Morde sind ein Anlass zu größter Sorge. Wenn wir dem Ganzen nicht sofort ein Ende bereiten, fliegt uns bald ganz Glasgow um die Ohren. Ich werde nicht zulassen, dass sich Presse und Unterwelt einen Spaß auf unsere Kosten machen. Wir werden diese Serie im Keim ersticken.«
Stille. Niemand rührte sich. Erst als sich die Tür öffnete und ein geduckter, etwas verschämter Tony Winter hereinschlich, drehten sich einige Cops um.
» Willkommen zur Operation Nachtschwalbe«, sagte der Superintendent. » Die Operation beginnt in diesem Raum, geht die gesamte Strathclyde Police an und endet in diesem Raum. Wir ermitteln den Täter und bringen ihn hinter Gitter. Ganz einfach.«
Shirley ließ den Blick über das Publikum schweifen. Niemand wagte es, etwas zu sagen. Währenddessen schob Winter sich auf einen Stuhl in der letzten Reihe, wo er sich angesichts seiner Position noch am besten aufgehoben fühlte.
» Dienstpläne und Überstunden sind ab sofort irrelevant«, meinte Shirley. » Wir sind im Einsatz, bis wir den Täter gefasst haben, und wenn es nach mir geht, fassen wir ihn lieber heute als morgen. Was Sie dazu brauchen, bekommen Sie von mir. Nun wird DCI Williamson zusammenfassen, was wir wissen. Und was wir wissen sollten. Bitte, Ian!«
Williamson erhob sich von seinem Stuhl, bezog neben Shirley Position und startete die PowerPoint-Präsentation. Mit monotoner Stimme leierte er herunter, was die Ermittlungen zu den beiden Morden bisher ergeben hatten. Wäre Shirleys strenger Blick nicht pausenlos auf der Jagd nach unkonzentrierten Mitarbeitern über die Versammlung gewandert, wäre sein Publikum wohl schon bald eingenickt. Williamson war ein Detailfanatiker, der nichts, aber auch gar nichts ausließ. Er teilte die Anwesenden in drei Sechserteams auf und wies ihnen jeweils unterschiedliche Aufgaben zu.
Winter bemühte sich nach Kräften, seinen Ausführungen zu folgen, doch die vergrößerten Fotografien der Toten stahlen Williamsons Präsentation die Show. Immer wieder zuckten seine Augen zu den beiden Bildern, er studierte jedes einzelne Pixel. Ein hypnotisierender Anblick– was hätte er dafür gegeben, selbst auf den Auslöser gedrückt zu haben. Zersplitterte Knochen und angesengtes Fleisch, Schuld und Sühne, Blut und noch mehr Blut. Er konnte kaum genug bekommen.
Williamson informierte die Zuhörer gerade darüber, dass die üblichen Schichten vorerst hinfällig seien. Alle verfügbaren Kräfte sollten auf die Geschehnisse an der Central
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