Sniper
Leben!«
Die meisten Jundis traten dem Militär bei, um ein festes Gehalt zu bekommen, aber sie wollten nicht für ihr Land kämpfen, geschweige denn sterben. Für ihren Stamm vielleicht. Der Stamm war sozusagen ihre erweiterte Familie – ihm waren sie verpflichtet. Und für die meisten von ihnen hatte das, was in Ramadi vor sich ging, nicht im Entferntesten etwas mit Stammesangelegenheiten zu tun.
Mir ist klar, dass ein Großteil des Problems mit der verdrehten Kultur im Irak zu tun hatte. Die Menschen hatten ihr Leben lang in einer Diktatur gelebt. Irak bedeutete ihnen als Nation nichts, zumindest nichts Gutes. Die meisten waren froh, Saddam Hussein losgeworden zu sein und sehr froh, frei zu sein, aber sie verstanden nicht, was das wirklich bedeutete – welchen Preis man für die Freiheit bezahlen muss.
Die Regierung schrieb ihnen ihr Leben nicht mehr vor, aber sie versorgte sie auch nicht mehr mit Essen oder etwas anderem. Es war für sie eine völlig neue Situation. Und sie waren in Sachen Bildung und Technologie so rückständig, dass wir Amerikaner oft das Gefühl hatten, in der Steinzeit gelandet zu sein.
Man kann zwar Mitleid mit ihnen haben, aber gleichzeitig will man auch nicht, dass sie in den Krieg eingreifen.
Und meine Aufgabe war es nicht, ihnen die Hilfsmittel zu geben, um sich weiterzuentwickeln. Meine Aufgabe war es zu töten, nicht zu unterrichten.
Wir taten, was wir konnten, um sie ins rechte Licht zu rücken.
Einmal wurde während des Feldzugs der Sohn eines hohen Beamten entführt. Wir erhielten die Information, dass er in einem Haus in der Nähe einer höheren Schule festgehalten wurde. Wir schlugen nachts zu, stürmten die Tore und nahmen ein großes Gebäude ein, um von dort aus die Lage im Blick zu behalten. Während ich vom Dach des Gebäudes aus das Geschehen verfolgte, drangen einige meiner Kameraden ins Haus ein und befreiten die Geisel, ohne auf Widerstand zu stoßen.
Die ganze Sache entwickelte sich zu einer lokalen Mediensensation. Als ein Gruppenfoto gemacht werden sollte, riefen wir stattdessen unsere Jundis . Sie wurden als große Retter gefeiert und wir traten in den Hintergrund.
Lautlose Profis.
Solche Dinge geschahen an allen Kriegsschauplätzen. Ich bin sicher, dass in den USA viele Geschichten darüber kursierten, wie tapfer sich die Iraker hielten und wie wir sie lediglich ausgebildet hatten. Diese Geschichten werden voraussichtlich auch so in die Geschichtsbücher eingehen.
Aber das ist alles ein Haufen Mist. Die Realität sah ganz anders aus.
Ich finde, die ganze Idee, dem Krieg ein irakisches Gesicht zu verleihen, war Schwachsinn. Wenn man einen Krieg gewinnen will, muss man sich ihm stellen und durchgreifen. Erst dann kann man die Einheimischen ausbilden. Mitten im Kampfgeschehen ist das keine gute Idee. Es grenzte an ein Wunder, dass die Lage dadurch nicht schlimmer wurde.
COP Iron
Der Staub der Feldwege vermischte sich mit dem Gestank, der vom Fluss und der Stadt heraufdrang, als wir in das Dorf kamen. Es war stockdunkel und irgendwo zwischen Nacht und Morgengrauen. Unser Zielort war ein zweistöckiges Gebäude in der Mitte eines kleinen Dorfes südlich von Ramadi, das durch eine Eisenbahnlinie vom Hauptteil der Stadt getrennt war.
Wir drangen schnell in das Haus ein. Die Bewohner waren ganz offensichtlich erschrocken und misstrauisch. Trotz der Uhrzeit schienen sie aber auch nicht sonderlich feindselig. Während unsere Dolmetscher und Jundis mit ihnen sprachen, ging ich aufs Dach und baute meine Ausrüstung auf.
Es war der 17. Juni, der Tag, an dem die Offensive auf Ramadi losgehen sollte. Wir hatten soeben mit dem Aufbau von COP Iron begonnen, dem ersten befestigten Vorposten auf unserem Vorstoß in Richtung Ramadi (COP steht für Command Observation Post).
Argwöhnisch beobachtete ich jede Regung im Dorf. Uns war zuvor eingebläut worden, dass wir mit heftigem Widerstand rechnen mussten, und alles, was wir in den vergangenen Wochen erlebt hatten, hatte ja auch tatsächlich darauf hingedeutet. Wir gingen davon aus, dass die Gefechte in Ramadi viel schlimmer werden würden als die in ländlicher Gegend. Ich war angespannt, aber bereit.
Nachdem wir das Haus und die umliegende Gegend gesichert hatten, riefen wir die Army hinzu. Als ich hörte, dass die Panzer in der Ferne anrückten, beobachtete ich die Umgebung noch genauer durch das Zielfernrohr. Die Schurken konnten es sicher auch hören. Sie würden bestimmt jeden Augenblick angreifen.
Die Army
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