Sniper
sein musste, der mich auf die Probe stellen sollte. Ich ging im Geist die Einsatzregeln durch, die vorschrieben, wie ich mich zu verhalten hatte.
»Was bist du denn für ein komischer Vogel, ein Bulle, oder was?«, pöbelte er und rückte mir extrem nah auf den Leib.
Ein solcher Dialog war zwar nicht in den Einsatzregeln festgeschrieben, aber ich ging davon aus, dass er improvisierte. Als Nächstes war vorgesehen, dass ich ihn zu Boden brachte. Also tat ich das. Er fing an Widerstand zu leisten und griff in seine Jacke, in der offenbar eine Waffe steckte. Ein solches Verhalten würde ich von jedem SEAL erwarten, der einen Schurken spielte. Also reagierte ich entsprechend und antwortete auf die gute alte SEAL-Art, nämlich indem ich ihn ordentlich vermöbelte.
Das, was sich unter seiner Jacke befand, zerbrach und Flüssigkeit trat aus. Er fluchte und wehrte sich weiterhin tapfer, aber ich dachte in dieser Situation nicht weiter darüber nach. Als ihn seine Kräfte verließen, legte ich ihm Handschellen an und sah mich um.
Die Polizisten, die ganz in der Nähe in ihrem Polizeiwagen saßen, lachten sich kaputt. Ich trat an sie heran, um herauszufinden, was los war.
»Das ist XY«, sagten sie mir. »Einer der größten Drogenhändler der Stadt. Wir hätten ihn auch gerne so verprügelt, wie Sie es gerade getan haben.«
Offenbar hatte der gute XY alle Warnzeichen in den Wind geschlagen und war geradewegs in die Übung gelaufen. Er dachte wohl, er könne seinen Geschäften wie gewohnt nachgehen. Idioten gibt es wirklich überall – ich nehme an, das erklärt auch, wie er überhaupt in dieses Milieu geraten ist.
Schikane und Heirat
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen setzte mehrere Monate lang den Irak unter Druck, um das Land dazu zu bewegen, die UN-Resolutionen in vollem Umfang zu erfüllen, vor allem jene, die die Inspektion vermuteter Massenvernichtungswaffen und deren Produktionsanlagen betrafen. Der Krieg wäre vermeidbar gewesen – Saddam Hussein hätte einfach nur nachgeben und den Inspektoren zeigen können, was sie sehen wollten. Aber die meisten von uns wussten schon im Voraus, dass er sich weigern würde. Als wir von unserer Verlegung nach Kuwait erfuhren, freuten wir uns daher. Wir gingen davon aus, dass wir bald in den Krieg ziehen würden.
Es gab eine Menge zu tun. US-Truppen hatten nicht nur die Aufgabe, die irakischen Grenzen zu überwachen und die kurdische Minderheit zu schützen, die Saddam in der Vergangenheit mit Giftgas ermordet hatte, sondern mussten auch dafür sorgen, dass die Flugverbote im Norden und Süden eingehalten wurden. Saddam im- und exportierte heimlich Öl und andere Güter, was jedoch gegen UN-Sanktionen verstieß. Die USA und ihre Verbündeten leiteten Maßnahmen ein, um diesem Treiben ein Ende zu setzen.
Bevor es aber losging und ich endgültig in den Krieg zog, beschlossen Taya und ich zu heiraten. Diese Entscheidung überraschte uns beide. Eines Tages kamen wir während einer Autofahrt auf dieses Thema, diskutierten eine Weile darüber und befanden schließlich, dass wir heiraten sollten.
Und obwohl wir den Entschluss gemeinsam fassten, war ich selbst mit am meisten überrascht davon. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich wollte Taya heiraten. Es war völlig naheliegend, denn es bestand kein Zweifel daran, dass wir uns liebten. Ich wusste, dass sie die Frau war, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. Und trotzdem dachte ich aus irgendeinem Grund, dass die Ehe nicht halten würde.
Wir wussten beide, dass sich viele SEALs wieder scheiden lassen. Ich habe Eheberater schon sagen hören, dass die Scheidungsrate bei circa 95 Prozent liegt, und ich kann mir das auch gut vorstellen. Vielleicht machte ich mir deswegen Sorgen. Vielleicht war ein Teil von mir einfach noch nicht bereit, eine lebenslange Verpflichtung einzugehen. Und natürlich war mir klar, wie sehr mich meine Arbeit beanspruchen würde, wenn wir uns erst einmal im Krieg befanden. Ich kann die widersprüchlichen Gefühle nicht erklären.
Aber ich wusste auf jeden Fall, dass ich die Frau liebte, ganz gleich, ob Krieg oder Frieden herrschte, und so war die Heirat unser nächster Schritt in eine gemeinsame Zukunft. Zum Glück überstanden wir beides.
Über SEALs muss man eines wissen: Wenn man neu ins Team kommt, wird man anfangs zahlreichen Schikanen und Aufnahmeritualen ausgesetzt. Die Züge sind eng verschweißte Männerbünde. Neuzugänge – die immer als »Frischlinge« bezeichnet werden
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