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Sniper

Sniper

Titel: Sniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Kyle , Scott McEwen , Jim DeFelice
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weiterzugeben, damit die Marines entscheiden konnten, ob sie sie angreifen oder ebenfalls umgehen sollten. Üblicherweise fuhren wir dazu auf eine Anhöhe, hielten an und analysierten von dort die Umgebung.
    An jenem Tag hatten wir nur einen bedeutsamen Feindkontakt. Wir umfuhren gerade eine Stadt, waren ihr aber offenbar trotzdem zu nahe gekommen, denn plötzlich wurde auf uns geschossen. Ich feuerte einige Salven mit dem .50er-MG, drehte mich dann um und schoss weiter mit dem 60er, während wir zusahen, dass wir Land gewannen.
    Wir waren an jenem Tag bestimmt mehrere Hundert Kilometer durch die Wüste gefahren. Am späten Nachmittag hatten wir eine Pause eingelegt und unsere Fahrt erst nach Sonnenuntergang fortgesetzt. Als man in jener Nacht auf uns schoss, änderte man plötzlich unsere Befehle. Die Befehlsleitung rief uns zurück und ließ uns von Hubschraubern abholen.
    Nun könnte man annehmen, dass es im Rahmen dieser Mission unsere Aufgabe war, den Feind dazu zu provozieren, auf uns zu schießen, weil er dadurch seine Position offenbarte. Man könnte weiterhin annehmen, dass die Tatsache, dass wir dem Feind so nah gekommen waren, bedeutete, dass wir feindliche Streitkräfte entdeckt hatten, die bislang unbekannt gewesen waren. Und daher hätte man mit einigem Recht behaupten können, dass wir unsere Sache gut gemacht hatten.
    Aber für unseren kommandierenden Offizier war das alles falsch. Er wollte nicht , dass wir mit dem Feind in Berührung kamen. Er wollte keine Todesfälle riskieren, selbst wenn das bedeutete, dass wir unseren Auftrag nicht richtig erfüllen konnten. (Und ich sollte vielleicht hinzufügen, dass unser Team trotz des Schusswechsels und des früheren Feindkontakts keine Toten zu beklagen hatte.)
    Uns kochte die Galle über. Wir waren mit der Erwartung losgezogen, mindestens eine Woche lang die Gegend auszukundschaften. Wir hatten eine Menge Benzin, Wasser und Nahrung bei uns und bereits in Erfahrung gebracht, wie wir im Notfall an Nachschub kommen könnten. Verdammt noch mal, wir hätten geradewegs bis nach Bagdad fahren können, das damals noch in irakischer Hand war.
    Niedergeschlagen kehrten wir zum Stützpunkt zurück.
    Dieser Rückzug bedeutete für uns zwar nicht das Ende des Krieges, aber er war ein schlechtes Vorzeichen für das, was noch vor uns lag.
    Ich möchte hier eines klarstellen: Kein SEAL will sterben. General Patton hat es einmal so formuliert: Der Zweck des Krieges ist, den anderen dämlichen Schweinehund zu töten. Aber in jedem Fall wollen wir kämpfen.
    Ein Teil der Gründe dafür ist persönlicher Natur. Bei Sportlern ist es ähnlich: Ein Sportler will aufgestellt werden, er will sich auf dem Spielfeld oder im Ring beweisen und mit seinem Gegner messen. Aber ein anderer Teil, sehr wahrscheinlich der größere Teil des Wunsches zu kämpfen, ist Patriotismus.
    Das gehört zu den Dingen, die man mit Worten nicht erklären kann. Aber vielleicht hilft das:
    Eines Nachts, einige Zeit später, waren wir in ein zermürbendes Feuergefecht verwickelt. Zehn von uns hatten etwa 48 Stunden im zweiten Stock eines alten, verlassenen Backsteingebäudes zugebracht und kämpften in voller Montur bei knapp 40 Grad Celsius. Die Kugeln flogen uns pausenlos um die Ohren und zertrümmerten nach und nach die Wände rings um uns. Wir hatten kaum genug Zeit, um nachzuladen.
    Als schließlich am Morgen die Sonne aufging, verhallte plötzlich das Geräusch der Geschosse, die in die Mauern einschlugen. Der Kampf war zu Ende. Die Stille war schon beinahe unheimlich.
    Als die Marines kamen, um uns abzuholen, fanden sie jeden Mann im Raum entweder an eine zerschossene Wand gelehnt oder auf dem Boden liegend; die einen versorgten ihre Verletzungen, die anderen ließen den Augenblick auf sich wirken.
    Einer der Marines draußen nahm eine amerikanische Fahne und hisste sie über dem Posten. Ein anderer spielte die Nationalhymne – ich habe keine Ahnung, woher die Musik kam, aber die Symbolträchtigkeit der Situation und die Gefühle, die sie in mir auslöste, waren überwältigend; diese Erfahrung gehört zu den bewegendsten Augenblicken meines ­Lebens.
    Jeder einzelne der kriegsmüden Männer erhob sich, ging ans Fenster und salutierte. Der Liedtext hallte in jedem von uns wider, als wir dabei zusahen, wie die Stars and Stripes im frühen Morgenlicht wehten – so wie es im Text heißt. Das erinnerte uns daran, wofür wir kämpften, und führte dazu, dass binnen Kurzem nicht nur Blut und Schweiß an

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