Sniper
ein. Allzu viel konnte ich zunächst nicht hören, nur den lauten Widerhall von Schrotflinten, die sie benutzten, um die Schlösser zu öffnen. Die Marines nahmen einige Frauen fest, die sich im Freien aufgehalten hatten, aber ansonsten war der Hof, der vor dem Gebäude lag, verlassen.
Meine Augen bewegten sich ohne Unterlass. Ich suchte unaufhörlich den gesamten Bereich ab und versuchte irgendetwas Verdächtiges zu entdecken.
Unser Funker kam herüber und baute seine Geräte in der Nähe auf. Er überwachte den Vorstoß der Marines, die sich ihren Weg durch das Gebäude bahnten und es klärten. Die wenigen Bewohner, die sie fanden, wurden nach draußen geführt und in Sicherheit gebracht. Im Gebäude selbst gab es keinen Widerstand – wenn es dort Aufständische gegeben hatte, waren sie geflohen, als sie uns sahen, oder gaben sich jetzt als verbündete Iraker und Freunde der USA aus.
Die Marines brachten schließlich etwa 250 Zivilisten aus dem Komplex, ein Bruchteil von dem, was erwartet worden war. Jeder von ihnen wurde zunächst verhört. Die Marines überprüften die Familienoberhäupter auf Schießpulver-Rückstände und wer den Test bestand, nicht gesucht wurde und sich auch sonst unverdächtig verhielt, erhielt 300 Dollar und die Anweisung, den Ort umgehend zu verlassen. Laut einem der Marines-Offiziere durften sie noch einmal in ihre Wohnungen zurückkehren, das Nötigste zusammenpacken und mussten dann gehen.
(Insgesamt wurden im Rahmen des Einsatzes nur einige bekannte Aufständische verhaftet und inhaftiert.)
Während wir von unserem Plateau aus die Stadt beobachteten, hielten wir auch mit Argusaugen nach einem irakischen Scharfschützen Ausschau, der als Mustafa bekannt war. Unseren Berichten zufolge war Mustafa ein Sportschütze gewesen, der an den Olympischen Spielen teilgenommen hatte und seine Fähigkeiten nun gegen Amerikaner, die irakische Polizei und das einheimische Militär einsetzte. Es waren mehrere Videos von ihm im Umlauf, in denen er mit seinem Können prahlte.
Ich selbst habe ihn nie zu Gesicht bekommen, aber andere Sniper töteten später einen irakischen Scharfschützen, von dem wir annehmen, dass es sich um Mustafa gehandelt haben muss.
Zu den Apartments
»Gut«, sagte der Funker schließlich. »Wir sollen rein.«
Ich rannte von den Bäumen zum Wohnkomplex, wo ein SEAL-Leutnant die Sniper-Standorte verteilte. Er hatte eine Stadtkarte und zeigte uns, wo am nächsten Tag der Angriff stattfinden sollte.
»Wir müssen diesen Bereich abdecken, und zwar hier, hier und hier«, sagte er. »Sucht euch einen Raum, der sich dafür eignet.«
Er wies uns ein Gebäude zu und verschwand. Ich bekam einen Scharfschützen namens Ray als Partner, den ich bereits vom BUD/S her kannte. (Ich verwende hier einen falschen Namen, um seine Identität zu schützen.)
Ray ist ein richtiger Waffennarr. Er liebt Waffen und kennt sich richtig gut mit ihnen aus. Ich weiß zwar nicht genau, wie gut er als Schütze ist, aber er hat wahrscheinlich schon mehr über Gewehre vergessen, als ich jemals wissen werde.
Wir hatten uns schon Jahre nicht gesehen, aber meine Erinnerungen an das BUD/S überzeugten mich davon, dass wir gut miteinander zurechtkommen würden. Man will im Einsatz nach Möglichkeit das gute Gefühl haben, dass der Typ, mit dem man zusammenarbeitet, jemand ist, auf den man sich verlassen kann – schließlich vertraut man ihm im wahrsten Sinne des Wortes sein Leben an.
Ein Ranger, den wir Ranger Molloy nannten, hatte unsere Gewehre und einiges an Ausrüstung in einem Hummer herbeigeschafft. Er kam herauf und gab mir meine .300 Win Mag. Die 300er hat eine größere Reichweite als das Mk-11 und würde mir gute Dienste leisten, sobald ich erst einmal ein gutes Versteck hatte, von dem aus ich schießen konnte.
Ich rannte die Treppen herauf und vergegenwärtigte mir die Situation. Ich wusste, auf welcher Seite des Gebäudes ich sein wollte und ungefähr auf welcher Höhe. Als ich oben ankam – ich hatte beschlossen, dass ich lieber aus einem Raum als vom Dach aus schießen wollte – ging ich den Flur entlang und hielt Ausschau nach einer Wohnung, von der aus man einen guten Überblick hatte. Ich sah mir mehrere an, denn ich suchte nach einem Apartment mit Möbeln, die ich benutzen konnte.
Für mich war der Wohnraum, in dem ich mich bewegte, ein elementarer Teil des Schlachtfelds. Die Apartments und ihre Einrichtungen waren lediglich Hilfsmittel, um unser Ziel zu erreichen – die Stadt zu
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