Sniper
kaltmachen. Und ich mittendrin .
Eine bewaffnete Festung
Historisch betrachtet gab es zwei Schlachten um Falludscha. Die erste fand, wie bereits erwähnt, im Frühjahr statt. Politische Erwägungen, vor allem hervorgerufen durch völlig verzerrte Medienberichte und eine Menge arabischer Propaganda, hatten dazu geführt, dass die Marines ihre Offensive kurz nach deren Beginn abbrachen und so das Ziel verfehlt wurde, die Aufständischen aus der Stadt zu jagen. Anstelle der Marines sollten Iraker, die der Interimsregierung treu ergeben waren, die Kontrolle übernehmen und die Stadt in ihre Gewalt bringen.
Das klappte aber nicht. So ziemlich sofort, nachdem die Marines sich zurückgezogen hatten, übernahmen die Aufständischen Falludscha. Zahllose Zivilisten, die mit dem Aufstand rein gar nichts zu tun hatten, wurden getötet oder flohen aus der Stadt. Jeder, der Frieden wollte – jeder, der auch nur halbwegs bei Verstand war – , verließ die Stadt oder kam andernfalls zu Tode.
Die Provinz al-Anabar, also die Umgebung, in der die Stadt liegt, war mit Aufständischen verschiedenster Couleur nur so übersät. Viele von ihnen waren irakische Mudschaheddin, aber es gab auch viele Ausländer, die Mitglieder der »al-Qaida im Irak« oder anderer radikaler Gruppen waren. Der Anführer der al-Qaida im Irak, Scheich Abdullah al-Janabi, hatte seine Zentrale in Falludscha. Er war ein Jordanier, der mit Osama bin Laden in Afghanistan gekämpft hatte und es sich zur Aufgabe gemacht hatte, möglichst viele Amerikaner zu töten. (Man geht trotz zahlreicher anderslautender Berichte davon aus, dass Scheich Abdullah al-Janabi aus Falludscha fliehen konnte und immer noch auf der Flucht ist.)
Die Aufständischen waren teils Terroristen, teils kriminelle Banden. Sie legten Bomben, entführten Beamte und ihre Angehörigen, griffen amerikanische Konvois an, ermordeten Iraker, die nicht ihrer politischen oder religiösen Meinung waren – alles und jeden, der ihnen in die Finger kam. Falludscha war ihr Stützpunkt geworden, eine Anti-Hauptstadt des Irak, in der man es sich zum Ziel gemacht hatte, die Interimsregierung zu stürzen und freie Wahlen zu verhindern.
Die Provinz al-Anabar und speziell der größere Umkreis um Falludscha wurden in den Medien als das sunnitische Dreieck bekannt. Das ist eine sehr, sehr grobe Verallgemeinerung sowohl der Gegend – der Bereich zwischen Bagdad, Ramadi und Bakuba – als auch der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung.
(Zum Islam im Irak: Es gibt zwei muslimische Hauptströmungen im Irak, die Sunniten und die Schiiten. Vor dem Krieg lebten die Schiiten überwiegend im Süden und Osten, sagen wir mal von Bagdad bis zur Grenze, und die Sunniten beherrschten die Gegend um Bagdad und den Nordwesten. Die beiden Gruppen lebten nebeneinander her, hassten sich aber im Grunde genommen. Die Schiiten waren zwar in der Mehrheit, während Saddams Herrschaft wurden sie jedoch diskriminiert und durften keine hohen Ämter bekleiden. Weiter im Norden sind die Kurden die vorherrschende Bevölkerungsgruppe. Trotz ihrer sunnitischen Herkunft haben sie eigene Bräuche und betrachten sich als eigenständiges Volk – und weniger als Iraker. Saddam Hussein hielt sie für minderwertig; im Rahmen seiner politischen Unterdrückung der Kurden befahl er einmal den Einsatz chemischer Waffen und führte eine zutiefst verabscheuungswürdige ethnische Säuberungsaktion durch.)
Während die Aufständischen Falludscha als Ausgangspunkt für ihre Angriffe in den umliegenden Gebieten und in Bagdad nutzten, verbrachten sie eine beachtliche Menge Zeit damit, die Stadt abzuriegeln, damit sie einem weiteren Angriff trotzen konnten. Sie horteten Munition und Waffen, bereiteten Sprengfallen vor und verbarrikadierten sich in Häusern. Minen wurden gelegt und Straßen abgeriegelt, damit man sie für Überfälle nutzen konnte. In Einfriedungsmauern wurden »Rattenlöcher« geschlagen, wodurch sich die Aufständischen von einem Haus zum nächsten bewegen konnten, ohne die Straßen benutzen zu müssen. Viele, wenn nicht alle 200 Moscheen der Stadt wurden in befestigte Anlagen umfunktioniert, da die Aufständischen wussten, dass die Amerikaner Gotteshäuser achteten und diese daher nur ungern angriffen. Die Aufständischen bauten ein Krankenhaus zu einer Zentrale um und benutzten es zugleich als Einsatzbüro für ihre Propagandamaschinerie. Kurzum, die Stadt war im Sommer 2004 fest in der Hand der Terroristen.
Die Aufständischen
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