So berauschend wie die Liebe
damals außer dir vor Schmerz und Trauer warst. Aber ich habe mich geirrt. Du bist wirklich ein gewissenloser Schuft. Trotzdem nehme ich dich beim Wort, was deinen zweimonatigen Aufschub betrifft … wie du es so treffend ausgedrückt hast: Ich habe schließlich dafür bezahlt – mit Sex.“ Ohne seine Erwiderung abzuwarten, verschwand Lucy im Haus und schlug die Tür hinter sich zu.
Lorenzo stand einen Moment wie vom Donner gerührt da. Im Grunde sollte es ihn natürlich nicht überraschen, dass Lucy von seiner damaligen Konfrontation mit ihrem Bruder wusste. Aber das war jetzt auch müßig, weil er sie sowieso nicht wiedersehen würde. Er machte auf dem Absatz kehrt, ging zu seinem Auto und fuhr davon.
Am Montagmorgen wachte Lucy aus einem kurzen unruhigen Schlaf auf, das Gesicht ins Kissen geschmiegt. Sie atmete den Duft von Lorenzos Aftershave ein und lächelte. Im nächsten Moment jedoch kehrte die Erinnerung an den vorangegangenen Abend mit brutaler Macht zurück. Mühsam quälte Lucy sich aus dem Bett und stolperte ins Bad. Ihr Spiegelbild blickte ihr mit geröteten verquollenen Augen entgegen – Zeugnis der Tränen, die sie wegen Lorenzo Zanelli vergossen hatte. Und so sehr sie sich auch dagegen sträubte, sie sehnte sich dennoch schrecklich nach ihm.
Frisch geduscht und bekleidet mit einer sommerlichen Baumwollhose und einem T-Shirt, einen Becher mit starkem Kaffee in der Hand, betrat sie eine halbe Stunde später ihre Galerie. Normalerweise genoss sie es, sich in ihrem kleinen Reich umzusehen, bevor die ersten Kunden eintrafen, denn sie war wirklich stolz auf das, was sie sich aufgebaut hatte. Doch an diesem Morgen konnte sie nicht einmal das reizen.
„Hi Lucy!“ Fröhlich wie immer kam Elaine zur Arbeit und hielt besorgt inne, als sie das Gesicht ihrer Freundin erblickte. „Liebe Güte, das muss ja eine tolle Nacht gewesen sein! Du wirkst jedenfalls ordentlich verkatert.“
„Nein, nein … es ist viel schlimmer“, sagte Lucy.
Aufhorchend fasste Elaine ihr unters Kinn und betrachtete sie prüfend. „Du siehst anders aus als sonst und hast geweint. Das kann nur eines bedeuten: Männerprobleme. Gestern schienst du mir besonders glücklich, aber hier im Laden war so viel los, dass ich gar nicht dazu gekommen bin, dich zu fragen. Was ist denn passiert? Hast du herausgefunden, dass er verheiratet ist?“
„Ich habe herausgefunden, dass er nur an einer kleinen unverfänglichen Wochenendaffäre interessiert war“, sagte Lucy, brachte es aber nicht über sich, der Freundin die ganze Wahrheit zu beichten.
„Lucy, du bist wirklich zu naiv, was Männer betrifft! Verbuche es unter Erfahrungen, und hake es ab. Hör zu, ich komme hier heute auch allein zurecht. Du ziehst dich in dein Atelier zurück und schaffst dein nächstes Meisterwerk … Malen ist für dich die beste Medizin, und hier würdest du sowieso nur die Kunden vergraulen.“
Lucy stimmte halbherzig zu, aber Elaines Rat erwies sich als gut. Obwohl die erste Skizze, die sie von dem kleinen Jungen, den sie porträtieren sollte, anfertigte, eine beunruhigende Ähnlichkeit mit Lorenzo aufwies. Lucy schlug einfach ein neues Blatt auf und war kurz darauf schon ganz in ihre Arbeit vertieft.
Am nächsten Tag rief ihr Anwalt an, um zu bestätigen, dass Lorenzo Zanelli tatsächlich den Verkauf seiner Steadman’s Anteile um zwei Monate aufgeschoben hatte. Was für ein zynischer Teufel Lorenzo doch war, ihre ‚Dienste‘ auf diese Weise zu bezahlen. Aber immerhin gab es Lucy Zeit, vielleicht irgendeinen Ausweg für die Fabrik zu finden. Kurz entschlossen ergänzte sie die Skizze vom Vortag durch rote Augen und ein Paar Hörner und betrachtete zufrieden ihr Werk. Wann immer sie sich in Lorenzos Arme zurücksehnte und von heißen Erinnerungen verfolgt wurde, würde sie in Zukunft diese Zeichnung ansehen, um sich ins Gedächtnis zu rufen, wie er wirklich war.
Drei Wochen später war Elaine mit dem Erfolg ihrer „Therapie“ zufrieden, als sie Lucy am Samstagmorgen prüfend begutachtete.
„Allmählich wirst du wieder die Alte. Dieses bestickte Kleid, das Leon dir aus Indien mitgebracht hat, sieht toll aus … Türkis ist deine Farbe! Aber der Zopf geht gar nicht – du musst dein Haar offen tragen! Vergiss nicht, du bist eine schöne hochtalentierte Künstlerin, und wenn du nur willst, kannst du jedem Kunden alles verkaufen.“
Lachend verschwand Lucy wieder nach oben und löste ihren Zopf. Dann steckte sie sich vor dem Spiegel nur das
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