So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren
Turteltauben, das ich dort unten im Garten sehe.
Trennungen: Sie sind sinnvoll. Sie gehören zu den sinnvollsten Dingen im Leben.
U
Umweltverschmutzung: Wir nehmen sie in Kauf, wir leisten ihr Vorschub. Höchste Zeit, das zu ändern.
Umziehen: Wie gerne ich umgezogen bin! Aber jetzt hier, in Ramatuelle, will ich bleiben, weil ich das Meer nicht mitnehmen kann. Hier ist Schönheit, hier ist es warm, hier lebt es sich angenehm. Und die Unbarmherzigkeit der Natur ist auch hier. Die Côte d’Azur ist nicht, wie man sie von Postkarten kennt. Die Natur hier kann sehr gewalttätig sein … Umziehen ist dennoch eine feine Sache.
Urne: In die Urne wirft man seinen Wahlzettel. In die Urne kommen auch deine verbrannten sterblichen Überreste. Hoffentlich sind beide ordentlich und solide gearbeitet.
Utopie: Natürlich brauchen wir sie. Wie soll es sonst weitergehen?
V
Verrat: Das Schlimmste, was einem passieren kann, was man jemandem antun kann. Verrat könnte ich nie verzeihen. Niemals.
Verrentung: Das Wort ist so schrecklich wie seine Bedeutung.
Vergessen: Das kann ich nicht. Manchmal beneide ich die, die es können.
Verrückt: Dafür halten Sie mich doch? Natürlich bin ich verrückt, aber ich weiß es. Den Grund, warum ich es bin, kenne ich nicht, aber ich weiß, dass ich ganz und gar nicht normal bin. Ich bin keine Frau mit schicklichen Manieren. Ich habe nie in eine feste Form gepasst. Vielleicht hat man zu viel Hefe verwendet, der Teig hat zu sehr getrieben und ist über die Form hinausgelaufen. Ich weiß, dass ich ein exzessiver Mensch bin. Gleichzeitig finde ich, dass das Wort »Exzess« weder mein Liebesleben noch überhaupt mein Leben beschreibt. Über Grenzen habe ich nie nachgedacht, das Wort selbst nie akzeptiert. Ich mag keine Wiesen, die man mit Stacheldraht einzäunt. Zu glauben, dass es keine Grenzen gibt, ist eine Form von Verrücktheit. Aber ich gehe mit meinem Verrücktsein geschickt und klug um. Ich schlage ihm ein Schnippchen, führe es hinters Licht, indem ich meine Pflichten erfülle und mich darüber hinaus an den einfachen und konkreten Dingen des Lebens erfreue.
W
Wagnis: Ja, man muss Wagnisse eingehen. Wer nichts wagt, tritt auf der Stelle.
Wahrheit: Die Wahrheit über eine Krankheit, ja sogar über den bevorstehenden Tod muss man dem Menschen, den man liebt, sagen. Wenn man ihn anlügt, tut man ihm nichts Gutes. Der Mensch ist wahrscheinlich stark genug, die Wahrheit zu ertragen. Einer alten Frau muss man sagen können: »Da, an dieser Stelle sieht es gar nicht gut aus.« Man muss die Dinge aussprechen, man muss die Dinge beim Namen nennen.
Wegfahren: Sofort! Egal, wohin. Wann geht’s los? Ich hole nur schnell meinen Koffer. Wenn ich meinen Koffer sehe, dann reagiere ich wie ein Hund, dem man seine Leine vor die Nase hält. Notfalls verlasse ich aber auch ohne Leine das Haus.
Wind: Ich mag ihn nicht. Er macht mir Angst. Vielleicht, weil ich ein schwaches Herz habe. Wind drückt mich nieder.
Winter: Ich sehe gern dem Schneefall zu, es missfällt mir aber, ihn unter meinen Füßen zu spüren. Einmal holten meine Schwester Charlotte und ich unsere Kinder in Megève vom Wintersport ab. Wir machten beide eine entsetzliche Figur im Schnee. Von Kindesbeinen an hasse ich es zu frieren. Und Ski fahren? Ein Albtraum. Als ich während des Krieges aus dem Gefängnis kam, war ich sehr krank und schwach, mein Blutdruck war zu niedrig. Hélène Duc, die mich aufgenommen hatte, kannte eine sehr wohlhabende Verlegerfamilie, deren Tochter ein bisschen zu rundlich war. Die Kleine musste deshalb Ski fahren, und ich durfte, ein Akt des Mitleids mir gegenüber, ihre Begleiterin spielen. In den Bergen angekommen, steckte man mich in eine alte rotbraune Hose des dicklichen Mädchens, die mir ein bisschen zu weit war, und in einen riesigen Pullover. An die Füße schnallte man mir ein Paar Ski, man wollte sehen, ob ich mich aufrecht halten konnte. Ich bücke mich, die Hose reißt, und Höschen und Hintern dürfen die Bergluft direkt genießen. Ich schäme mich in Grund und Boden. Mein Entschluss steht fest: Nie mehr! Nie mehr Ski fahren!
Wut: Ich werde nicht oft wütend, aber wenn, dann richtig. Aber es passiert mir nur im Privatleben. Die Politik kann mich auch wütend machen. Heute mehr denn je. Das, was da geschieht, gefällt mir überhaupt nicht. Ich war Kommunistin gewesen, bin es aber nicht mehr. Wenn man den Kommunismus nicht als Religion betrachtet, kann man sich auch leicht von ihm
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