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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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    Â»Sie hat unser Konzert abgebrochen«, sagte Jan, »und sie hat dich ins Loch gesperrt.«
    Â»Genau«, erwiderte Rami. »Und dann hat sie mir mein Tagebuch weggenommen.«
    Jan nickte, er erinnerte sich.
    Â»Und sie hat es gelesen «, ergänzte Rami. »Ich hatte genau so ein Buch wie das, das ich dir gegeben habe. Und da hatte ich fünfzig Seiten vollgeschrieben, und sie hat es mitgenommen.«
    Jan betrachtete das Bild. Er hörte Ramis Stimme leise an seinem Ohr:
    Â»Morgen haue ich ab. Wenn ich weg bin, dann kannst du der Psychotante mal einheizen. Schleich dich rein, und pinkel auf ihren Schreibtisch, oder verkritzel ihre Tür oder so. Erschreck sie irgendwie.«
    Â»Okay«, sagte Jan.
    Â»Wirst du das tun?«
    Er nickte bedächtig, als würde er einen geheimen Auftrag akzeptieren. Er würde der Psychotante gehörig Angst machen. Für Rami.

45
    Â»Sollen mir die Patienten etwa leidtun?«, fragt Lilian und lacht über ihr Bier hinweg. »Darum kümmern die sich schon selbst. Die sitzen da oben hinter der Mauer und tun sich leid ... und behaupten, sie seien unschuldig .«
    Â»Ehrlich?«, fragt Jan.
    Â»Ja. Pädophile und Mörder sind immer völlig unschuldig, wusstest du das nicht? Keiner, der eingesperrt ist, übernimmt irgendeine Schuld für irgendwas.«
    Jan ist da anderer Ansicht, aber er sagt nichts.
    Am Abend nach Lilians Streit mit ihrer Chefin in der Vorschule ist Jan zu Bills Bar gegangen.
    Natürlich sitzt Lilian dort, an einem Tisch weit hinten im Lokal. Natürlich hat sie ein großes Bier vor sich stehen, und die Art und Weise, in der sie ihren Kopf hin und her wiegt, zeigt, dass sie schon eine ganze Weile hier hockt.
    Sie bemerkt Jan nicht, als er die Bar betritt, denn sie ist nicht allein. Ihr gegenüber sitzt Hanna vor einem Glas Mineralwasser. Die beiden unterhalten sich, und wie immer wirkt es so, als würden die beiden mit gesenkten Köpfen und leise flüsternd Geheimnisse austauschen.
    Der Barkeeper des Abends heißt Allan. Jan ist nicht mit ihm befreundet – er hat hier in Valla noch keinen einzigen Freund gewonnen –, aber er hat inzwischen zumindest die Namen der Barkeeper gelernt.
    Jan bestellt ein alkoholfreies Bier. Als er sein Glas in der Hand hält, überlegt er, ob er sich unbemerkt weiter hinten ins Lokal setzen soll, doch auf dem Weg dorthin würde er wahrscheinlich von Hanna entdeckt werden. Und warum sollte er sich auch verstecken? Also geht er direkt auf den Tisch der Kolleginnen zu.
    Â»Hallo«, grüßt er.
    Â»Jan!«
    Lilian lächelt ihm zu, sie scheint froh über die Unterbrechung.
    Hannas glänzende Augen verraten nichts. Sie nickt nur kurz, und Jan setzt sich.
    Â»Was trinkst du?«, fragt Lilian ihn.
    Â»Leichtbier«, antwortet er. »Ich muss morgen arbeiten, deshalb kann ich nicht ...«
    Â»Leichtbier?« Lilian lacht heiser und hebt ihr Glas. »Also, das hier ist kein Leichtbier, das sag ich dir.«
    Jan prostet ihr nicht zu, Hanna und er beobachten schweigend, wie Lilian das halbe Glas in einem Zug trinkt.
    Dann senkt sie den Kopf wieder, und Jan sieht, dass ihre Stimmung heute Abend düster ist. Sie starrt ins Glas und lässt sich erneut über das Krankenhaus aus. Sie nennt es wieder »Luxushotel«, das hatte Jan auch schon am ersten Abend, als sie sich in Bills Bar trafen, von ihr gehört.
    Â»Als ich hierhergekommen bin, war ich neugierig auf die Leute, die da drinsitzen, aber sie haben mir doch nie leidgetan. Ich meine, wenn einer sagt, er ist unschuldig, er hat nicht gemordet oder sich an niemandem vergriffen, wie soll man sie dann heilen können?«
    Die beiden anderen schweigen. Lilian trinkt noch einen Schluck. Allmählich erinnert der Ausdruck ihrer Augen an die von Medikamenten vernebelten Blicke der Patien­ten unten im Keller von Sankt Psycho.
    Lilian setzt das Glas ab.
    Â»Muss mal aufs Klo.«
    Es fällt ihr schwer, vom Tisch aufzustehen, irgendwie scheint die Tischkante im Weg zu sein, aber schließlich schwankt sie davon.
    Jan und Hanna sehen ihr nach.
    Â»Wie viel hat sie denn getrunken?«, fragt Jan.
    Â»Keine Ahnung. Sie war schon gut zugange, als ich hierherkam ... Seitdem noch drei große Biere.«
    Jan nickt bloß.
    Â»Es ist so schade um Lilian«, meint Hanna.
    Â»Da gibt es ziemlich viele, um die es schade ist«, entgegnet Jan. »Um Leo ist es auch

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