Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
Vom Netzwerk:
jetzt in geordneten Verhältnissen leben und wir gute Familien für sie gefunden haben. Darüber bin ich so froh.«
    Â»Werden sie zurechtkommen?«, fragt Jan.
    Â»Oh ja, da bin ich mir sicher.«
    Â»Ich mache mir nur ein wenig Sorgen um Leo. Er ist so unruhig.«
    Â»Auch Leo wird sich zurechtfinden«, erklärt Marie-­Louise.
    Jan sieht seine Chefin an. Werden es wirklich alle Kinder schaffen? Die meisten bestimmt, aber nicht alle. Aus manchen Kindern werden Erwachsene mit psychischen Problemen, andere werden zum Sozialfall, einige werden kriminell. Das sagt die Statistik, da kann man nichts machen.
    Aber demnach wäre doch ihre Arbeit in der »Lichtung« vergeblich, oder?
    Um Viertel vor sechs steht Jan in der Küche. Alle Kinder sind abgeholt worden, und er hat ein letztes Mal die Spülmaschine angestellt. Der Arbeitstag ist zu Ende, und als Lilian draußen im Garderobenraum ihren Spind zuschlägt, beeilt er sich, in der Küche fertig zu werden. Er schaltet das Licht aus und schafft es, eine Minute später Jacke und Schuhe angezogen zu haben. Da ist Lilian gerade durch die Tür.
    Jan schließt die Vorschule ab und folgt ihr eilig.
    Inzwischen ist es novemberkalt draußen, windig und frostig. Auf der Straße erkennt er eine Gestalt in dunkler Jacke auf dem Weg zum Stadtzentrum. Er geht schneller und läuft schließlich hinter ihr her.
    Â»Lilian?«
    Sie wendet sich um, ohne stehen zu bleiben, und sieht ihn müde an.
    Â»Was gibt’s?«
    Sein erster Impuls ist, Lilian zu fragen, ob sie mit zu Bills Bar gehen möchte, aber er beherrscht sich. Eigentlich will er gar nicht mehr dorthin.
    Â»Können wir ein bisschen reden?«, fragt er stattdessen.
    Â»Worüber?«
    Jan sieht sich um. Hinter ihnen, an der Mauer, kommen zwei Gestalten durch die Stahltür, er kann ihre Gesichter nicht erkennen, vermutet aber, dass es sich um Wachleute von der Tagschicht handelt, die jetzt auf dem Weg nach Hause sind. Und an der Bushaltestelle stehen ebenfalls Leute und warten. Augen, die sehen, Ohren, die lauschen.
    Â»Lass uns einfach ein Stückchen gehen«, schlägt er vor.
    Lilian sieht nicht begeistert aus, kommt aber trotzdem mit. Sie laufen an den anderen an der Bushaltestelle vorbei und gehen weiter, bis er sagt: »Wir könnten über die Vorschule reden und was wir noch für die Kinder tun können.«
    Lilian lacht müde. »Nein danke. Ich will einfach nur nach Hause.«
    Â»Sollen wir dann über Hanna reden?«
    Lilian geht einfach weiter, also fragt Jan: »Oder über Ivan Rössel?«
    Sie bleibt wie erstarrt stehen.
    Â»Kennst du ihn?«
    Jan schüttelt den Kopf und senkt die Stimme: »Aber Hanna hat mir einiges erzählt.«
    Lilian schweigt und wirft einen Blick zurück zur Klinik.
    Â»Ich kann hier nicht reden«, sagt sie schließlich. »Nicht jetzt.«
    Â»Wir könnten uns später treffen.«
    Sie scheint nachzudenken.
    Â»Hast du morgen Abend frei?«, fragt sie dann.
    Jan nickt.
    Â»Komm um acht zu mir nach Hause.«
    Â»Können wir dann reden?«, fragt Jan. Ȇber alles?«
    Lilian nickt. Dann schaut sie auf die Uhr.
    Â»Ich muss jetzt nach Hause, mein großer Bruder wartet auf mich. Mein Mann ist ja weg.« Sie geht weiter, dreht sich aber noch einmal um. »Willst du wissen, warum wir uns getrennt haben?«
    Jan antwortet nicht, aber sie sagt es ihm trotzdem: »Er fand, ich sei von Ivan Rössel besessen.«

47
    Nach dem Mittagessen an diesem Donnerstag fallen die ersten Schneeflocken des Winters groß und nass auf die Vorschule herab. Sie landen schwer auf dem Boden im Hof und legen sich wie ein weißgrauer Flor über den Sand in der Sandkiste und die Autoreifen der Schaukeln.
    Jan sieht die Flocken vor dem Fenster, ist aber nicht wie früher, als er ein kleiner Junge war, voll froher Erwartung. Winterwetter bedeutet für ihn heute nur, den Kindern mehr Kleiderschichten anziehen zu müssen. Pullover, Wollsocken, wattierte Hosen und Mützen mit Ohrenklappen – damit dauert es noch länger, auf den Hof hinauszukommen, und die Kinder werden zu kleinen Astronauten, die sich nur mit großer Mühe über den Hof schieben.
    Er hilft ihnen mit den Jacken und geht in den Hof. ­Andreas und Marie-Louise hocken immer noch als ein Team zusammen und lachen und scherzen hinter ihm.
    Hanna und Lilian sind schon im Hof und gönnen sich eine

Weitere Kostenlose Bücher