So bitterkalt
für Sachen?«
»Was er über John Daniel weiÃ.«
»Wer ist das?«
Ganz vage kommt Jan der Name bekannt vor, vielleicht aus irgendeiner Zeitung?
»John Daniel Nilsson ist vor sechs Jahren verschwunden«, erklärt Hanna. »Nach einer Party im letzten Schuljahr an seiner Schule in Göteborg hat er sich in Luft aufÂgelöst. Seither hat ihn niemand mehr gesehen, aber Ivan hat ... er hat angedeutet, er wisse Sachen über John Daniel.«
Jan nickt, jetzt erinnert er sich. Er hat damals in Göteborg nur fünf oder sechs StraÃen von der Schule entfernt gewohnt, in der die Party stattfand. Rössel war wegen des Verschwindens des Jungen verdächtigt worden, hatte jedoch nie etwas gestanden.
»Aber was hat John Daniel denn mit dir zu tun?«
»Mit mir nichts«, sagt Hanna, »aber mit Lilian. Das habe ich doch gesagt.«
Jan sieht sie an.
»Lilian hat auch etwas damit zu tun?«
»John Daniel war ihr jüngerer Bruder«, fährt Hanna fort. »Sie hat den Job an der Vorschule angenommen, um Kontakt zu Ivan Rössel zu bekommen. Und am Ende hat es ja auch funktioniert, als sie mich um Hilfe gebeten hat. Aber es macht sie völlig fertig.«
46
Bis halb drei in dieser Nacht liest Jan im Internet Kriminalberichte, um mehr zu erfahren. Er liest, dass John Daniel Nilsson neunzehn Jahre alt war, als er von der Party am Rand von Göteborg verschwand. Er war von einem Freund eingeladen worden, in die Schule einÂgeÂschmugÂgelten Schnaps zu trinken. Danach war er betrunken, und ihm war schlecht. Um halb zwölf Uhr nachts war er allein vor die Tür gegangen, und niemand wusste genau, ob er nur nüchtern werden oder nach Hause gehen wollte, jedenfalls war er seither nicht mehr gesehen worden. Die Familie, die Polizei und viele Freiwillige hatten nach ihm gesucht, aber John Daniel blieb spurlos verschwunden.
Es handelte sich um ein ungelöstes Rätsel. Rössel war verdächtig, hatte sich aber ausgeschwiegen â zumindest bis jetzt, da er Hanna zufolge andeutete, dass er den Jungen als Letzter lebend gesehen hätte.
Jan liest und liest, bis ihm die Augen brennen und er anstelle des verschwundenen John Daniel das Jungengesicht von William Halevi vor sich sieht. Da schaltet er den Computer aus und legt sich schlafen.
Am nächsten Morgen geht er mit schwerem Kopf zur Arbeit. Lilian ist dort, und die beiden nicken einander müde zu.
»Alles in Ordnung, Lilian?«
»Hm«, murmelt sie nur.
Heute sieht sie nach einem schlimmen Kater aus, und den hat sie bestimmt auch, aber an diesem Morgen betrachtet Jan sie mit anderen Augen. Lilian ist die Schwester eines verschwundenen Jungen. Sie ist ein Opfer.
Er würde gern mit ihr darüber reden, doch da ist Marie-Louise aus der Küche zu hören: »Jan? Kannst du bitte Matilda vom Fahrstuhl abholen?«
»Ja, ja, natürlich«, erwidert Jan.
Er kennt die Routinen. Alle müssen beschäftigt gehalten werden.
An das Holen und Bringen in Sankt Patricia ist er mittlerweile so gewöhnt, dass die Wanderungen die Kellertreppe hinunter schon Alltag für ihn geworden sind, und er fährt, ohne groà darüber nachzudenken, mit den Kindern zum Besuchszimmer hoch.
Nur bei Leo ist es keine Routine. Jan streift mit der Hand die Schulter des Jungen, als sie hinauffahren, damit Leo eine Stunde mit seinem Vater verbringen kann.
»Bist du gespannt, was ihr machen werdet?«, fragt Jan.
»Karten spielen«, sagt Leo.
»Das weiÃt du jetzt schon?«
Leo nickt. »Papa will immer Karten spielen.«
»Bitte ihn doch, dir Geschichten zu erzählen«, schlägt Jan vor.
Leo nickt wieder, sieht aber skeptisch aus.
Als er in die Vorschule zurückkommt, empfindet Jan diesmal keine Freude oder Zuversicht, und es ergibt sich auch keine Gelegenheit, um mit Lilian zu sprechen. Sie selbst sagt auch nichts, sieht ihn nicht einmal an â stets ist sie mit einem der Kinder zusammen. Aber sie spielt nicht mit ihnen, sondern sitzt die meiste Zeit nur dabei und sieht ihnen mit müdem Blick zu oder streichelt einem Kind mit schlapper Hand über den Kopf.
Auch Hanna scheint Jan zu meiden, sie hält sich viel in der Küche auf. Nur Marie-Louise will mit ihm reden.
»Ist es nicht schön, dass es vorbei ist, Jan?«, fragt sie.
»Was denn?«, erkundigt er sich.
»Dass die Nachtschichten ein Ende haben. Und dass alle Kinder
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