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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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noch ein paar Sekunden, dann erlischt es kurz.
    Â»Gut. Dann bis bald. Danke.«
    Wofür bedankt er sich bei Rami? Er mustert die Klinikfassade mit all den erleuchteten Fenstern, und ihm ist plötzlich kalt, er fühlt sich durchgefroren und vor allem ausgeschlossen. Am liebsten würde er jetzt auch dort drinnen sitzen, zusammen mit Rami.
    Er wandert los, durch den Wald zurück, nach Hause, wo er versuchen wird, die Bilderbücher fertig zu zeichnen, damit er sie Rami zeigen kann. Wenn sie sich treffen werden.
    Wer ist Rami jetzt? Sie ist die Tiermacherin. Sie hat Jan erschaffen, damit er einen Weg über den Zaun findet und ihr hilft, aus dem Steinhaus herauszukommen. Weg von der einsamen Insel der Tiermacherin, raus aus dem Wald, in dem die kranke Hexe liegt und allmählich stirbt.

Die Klapse
    Jan saß dicht bei Rami, und sie hatte ihre Hände um seine Arme gelegt, über seinen bandagierten Handgelenken. Davor hatte sie ihn umarmt. Er hatte ihr alles von den Tagen in der Sauna und vom Sprung in den Teich erzählt. Die Erinnerungen waren davon nicht besser geworden, aber er hatte es nun getan.
    Und Rami hatte zugehört, als ob seine Geschichte bedeutsam wäre. Jetzt fragte sie ihn mit leiser Stimme:
    Â»Hast du das schon mal jemandem erzählt?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Â»Nein, aber die anderen glauben das«, erklärte er. »Einer von ihnen, Torgny, der hat mich vor drei Tagen angerufen. Er hatte Angst, das konnte ich hören. Die denken wahrscheinlich, dass ich sie mittlerweile verpfiffen habe, aber das hab ich nicht.« Jan sah zu Boden und fuhr fort: »Ich weiß, dass sie mir in der Schule auflauern werden, wenn ich wiederkomme. Die werden todsicher weitermachen.«
    Er verstummte. Hier saß er nun und hatte schon bei dem bloßen Gedanken an Die Viererbande Angst. Er versteckte sich hinter dem Zaun der Klapse und wusste, dass die Bande draußen auf den Straßen frei und fröhlich herumlief. Die hatten einander und dazu noch eine Menge anderer Freunde. Er selbst hatte nur Rami.
    Â»Und das ist ja auch in Ordnung«, fuhr er fort. »Manchmal denke ich, dass es schön wäre, wenn es so einen Knopf gäbe, auf den man drücken könnte, und dann wäre alles vorbei. Als sie mich in die Sauna geworfen haben, habe ich mich gar nicht sonderlich gewehrt. Ich dachte ganz einfach, dass ich das verdient hätte.«
    Â»Nein«, sagte Rami bestimmt.
    Â»Doch«, erwiderte Jan.
    Einen Moment lang war es ganz still im Raum, dann sagte Rami plötzlich: »Ich werde sie mir vorknöpfen.«
    Â»Wie denn?«
    Â»Weiß noch nicht. Wenn ich hier raus bin.«
    Â»Wann wird das sein?«
    Â»Bald.«
    Jan sah sie an. Rami sprach ja wohl kaum davon, entlassen zu werden – sie wollte abhauen.
    Â»Wie willst du das anstellen?«
    Â»Ich kenne Leute.«
    Mit einem Mal stand sie auf und ging zu einem der schwarzen Tücher an der Wand. »Das hier habe ich in der Abstellkammer gefunden«, erklärte sie.
    Sie hob den Wandvorhang an, und Jan sah ein schwarzes, altes Telefon auf dem Boden stehen.
    Â»Funktioniert das?«, fragte er.
    Sie nickte. »Willst du jemanden anrufen?«
    Jan schüttelte den Kopf. Er hatte niemanden, den er anrufen wollte.
    Â»Ich rufe immer meine Schwester in Stockholm an«, verriet Rami. »Ich kann überallhin telefonieren.«
    Sie wirkte so sicher, dass es direkt ein bisschen auf Jan abfärbte.
    Â»Ich habe das Jahrbuch der Schule dabei«, sagte er. »Da kannst du Bilder von ihnen sehen, und Namen und Adressen stehen da auch.«
    Â»Okay.«
    Es wurde wieder still zwischen ihnen. Jan sah Rami an und wollte etwas Tiefgründiges und Ehrliches sagen. Aber sie kam ihm zuvor.
    Â»Dann kannst du etwas für mich erledigen.«
    Â»Was denn?«
    Sie stand auf. »Ich zeig es dir ... komm mit.«
    Sie führte ihn auf den Flur hinaus, sah sich um und ging dann weiter zum Personalzimmer. Es war halb sieben, die Leute von der Tagschicht waren gegangen, und die Tür war geschlossen. Daneben hing ein Plakat mit einer Reihe Namen und Farbfotos, über denen stand:
    WIR ARBEITEN AUF DER STATION 16
    Rami zeigte auf das Bild einer lächelnden Frau mit schrägem Pony und großer Brille.
    Â»Das ist sie.«
    Jan erkannte die Frau auf dem Bild, es war die Psychotante, auf die Rami im Fernsehzimmer losgegangen war. Unter dem Foto stand ihr Name: Emma Halevi, Psychologin

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