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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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spontane Erzieherin war, der es jedoch leider manchmal etwas schwerfiel, den Überblick über die Kinder zu behalten. Sigrid war fröhlich und nett, doch sie war mit den Gedanken oft woanders. Wenn Jan draußen auf dem Hof mit ihr zusammenstand und redete, dann war sie immer gesprächsbereit, hatte aber selten ein Auge auf die Kinder.
    Als beim wöchentlichen Planungstreffen die Essenslisten und der Putzplan der Tagesstätte durchgesprochen wurden, meldete sich Jan und schlug für die Kinder beider Gruppen einen gemeinsamen kleinen Ausflug in den benachbarten Wald vor. Er nannte auch ein Datum: den Mittwoch der kommenden Woche, denn er wusste, dass er an diesem Tag mit Sigrid zusammenarbeiten würde. Dann sah er sie mit erwartungsfrohem Blick über den Tisch hinweg an. »Sigrid, sollen wir das mal gemeinsam machen? Picknick einpacken und mit den Kindern ein paar Stunden in den Wald gehen?«
    Sie lächelte ihn an. »Ja, sehr gerne!«
    Er hatte schon damit gerechnet, dass sie zustimmen würde, und auch Nina, die Leiterin der Tagesstätte, nickte.
    Â»Dann müssen wir aber darauf achten, dass die Kinder passend gekleidet sind«, sagte sie und trug den Ausflug in den Plan für die kommende Woche ein.
    Jan lächelte auch. Der Bunker war geputzt und eingerichtet, fast alles war vorbereitet, jetzt fehlte nur noch der Proviant.
    Doch tags darauf sah er, wie die Mutter von William zum »Braunbären« kam, um ihren Sohn abzuholen, und da zitterte etwas in ihm. Die Mutter sah ihn nicht an, doch Jan fand, dass sie gestresst und müde wirkte. Ob sie Probleme bei der Arbeit hatte? Die Müdigkeit machte sie aber auch menschlicher, und zum ersten Mal fühlte sich die ganze Sache nicht mehr nur wie ein Gedankenspiel an. Zum ersten Mal zögerte Jan.
    Er riskierte seinen Job beim »Luchs«, andererseits gab es da nicht viel zu verlieren. Er hatte eine Vertretungsstelle, die kaum mehr zwei Monate dauern sollte.
    Schlimmer für Jan war der Gedanke, dass er vielleicht einen kleinen Jungen verletzte, und darüber grübelte er in den letzten Tagen vor dem Ausflug lange nach. Zur gleichen Zeit beendete er die letzten Vorbereitungen oben im Wald: Er öffnete die Stahltür zum Bunker und das Eisengitter in der Klamm sperrangelweit und legte wie bei einer Schnitzeljagd Pfeile aus rotem Tuch über den Hügel aus.
    Der Bunker sollte sich wie ein Hotelzimmer anfühlen, sauber und gemütlich und voller Essen und Trinken und Spielsachen. Und massenhaft Süßigkeiten.

13
    Â»Jan! Jan!«, rufen die Kinder mit fröhlichen Stimmen. »Komm, Jan!«
    Jan mag die Kinder in der »Lichtung« sehr gern, und sie ihrerseits haben ihn voll und ganz akzeptiert. Alles scheint in Ordnung zu sein.
    Sein erster Abenddienst beginnt am Mittwoch um 13.00 Uhr und endet um 22.00 Uhr. Das kommt ihm fast wie eine Vorübung für den anstehenden Nachtdienst vor, bei dem er mit Leo, Matilda und Mira, den drei Kindern, die derzeit rund um die Uhr in der »Lichtung« wohnen, allein sein wird.
    Als Jan bei der Tagesstätte ankommt, ist Andreas mit den Kindern draußen im Hof. Es sind nur sechs Grad plus, und Andreas hat sich einen dicken Wollschal um den Hals gewickelt.
    Â»Hallo, Jan!«
    Wie ein Fels steht er mit den Händen in den Taschen seiner Jeans im Herbstwind.
    Â»Alles in Ordnung?«, fragt Jan.
    Â»Voll und ganz«, erwidert Andreas. »Wir waren die meiste Zeit draußen.«
    Sie lassen die Kinder noch eine Viertelstunde spielen, dann gehen sie ins Warme und holen die Essenboxen mit dem Mittagessen, das in der Krankenhausküche von Sankt Patricia zubereitet wird.
    Andreas bleibt noch eine halbe Stunde länger in der Vorschule, aber Jan will ihn nicht fragen, warum. Ob er auf Anweisung von Marie-Louise ein Auge auf Jan haben soll?
    Als die Sonne tief über dem Horizont hängt, geht Andreas schließlich. Nun ist Jan allein für die »Lichtung« verantwortlich. Aber das ist in Ordnung, er wird gut für die Kinder sorgen.
    Er fängt damit an, dass er sie im Spielzimmer versammelt. »Was möchtet ihr machen?«
    Â»Wir wollen spielen!«, ruft Mira.
    Â»Und was wollt ihr spielen?«
    Â»Tierpark!«, ruft Matilda und zeigt zum Fenster hin. »So wie da drüben.«
    Erst versteht Jan das Mädchen nicht, bis er begreift, dass sie zum Zaun hinter dem Fenster zeigt, zum Zaun der Klinik.
    Â»Das ist kein Tierpark«,

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