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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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hatte sie sich nicht mehr getraut, weiterhin welche zu machen.
    Die vierte Zeichnung ist düster. Die Tiermacherin liegt wie ein grauer Schatten in einem schmalen Bett und schläft. Über ihr sind andere Schatten zu sehen, die sich, auf dem Weg nach draußen, durch einen pechschwarzen Tunnel in der Wand umeinander winden und drehen.
    Das Bild vermittelt eine bedrohliche Stimmung, und Jan blättert weiter:
    Eines Tages geschah etwas, was es noch nie gegeben hatte. Als Maria unten am Strand Steine sammelte, sah sie plötzlich am Horizont ein Schiff. Es schien näher zu kommen, als würde es von den Wellen auf die Insel geschubst. Maria begriff, dass es sich um eine Schiffsentgleisung handeln musste.
    Als das Schiff fast die Küste der Insel erreicht hatte, erkannte die Tiermacherin, dass es eine Fähre voller Kinder war. Alle Kinder trugen blaue Helme auf den Köpfen und große Kissen auf Bauch und Rücken.
    Â»Das will ich auch haben«, ruft Vidar, »ein Kissen auf dem Bauch!«
    Â»Was ist ein Horizont?«, fragt Matilda.
    Â»Dort ist die Erde zu Ende«, erklärt Jan. Diese Seite ist harmlos, deshalb dreht er das Buch herum und zeigt den Kindern den schmalen Strich, der hinter der Fähre verläuft: »So sieht der Horizont aus. Allerdings ist es natürlich nur eine Sinnestäuschung, dass die Erde an einer Stelle zu Ende ist, denn schließlich ist sie ja rund wie ein Gummiball. Das wisst ihr, oder? Deshalb ist die Erde nie zu Ende, sie geht immer weiter, bis sie wieder hinter eurem Rücken auftaucht.«
    Die Kinder sehen ihn schweigend an. Jan merkt, dass er sich ein wenig verheddert hat, und liest deshalb rasch weiter:
    Schließlich lief die Fähre an der Küste der Insel auf Grund. Es quietschte, als sie sich auf die Steine schob. Die Kinder hüpften an Land, aber Maria wagte es nicht, sich zu zeigen. Sie war in ihre Hütte gegangen, hatte die Tür hinter sich abgeschlossen und einen richtig starken Taminal-Tee gekocht. Draußen war fröhliches Rufen zu hören, doch sie trank ihren Tee und blieb in ihrer Hütte.
    Dieses Bild zeigt, wie die Tiermacherin Maria vor zugezogenen Gardinen hockt, die ein viereckiges Muster haben, das Jan an die Gitterfenster der Klinik denken lässt. Sie gießt sich einen kochenden Tee ein, der blubbernd und dampfend in eine große bunte Tasse fließt. Aber was mag wohl Taminal-Tee sein?
    Â» Hallo « , rief plötzlich die helle Stimme eines Mädchens. Maria sah vorsichtig hinaus, doch das Mädchen stand nicht an ihrer Tür und rief.
    Es stand vor dem Leuchtturm.
    Und die Leuchtturmtür war offen.
    Zum ersten Mal, seit Maria auf die Insel gekommen war, hatte Herr Zylizylon der Große die Tür zu seinem großen Turm geöffnet!
    Â» Hallo? Ist da jemand? Ich heiße Amelia  . .. Ist jemand zu Hause? «
    Die Zeichnung dazu ist aus der Perspektive von Maria gemalt, die durchs Küchenfenster sieht: Ein kleines Mädchen in einem dünnem Kleid steht vor der schwarzen Leuchtturmtür. Doch Jan sieht, wodurch sich das Mädchen von den anderen Kindern unterscheidet. Es trägt keinen Helm auf dem Kopf und keine Kissen.
    Die Kinder vor ihm sind ganz still. Im Kissenzimmer herrscht jetzt eine konzentrierte und erwartungsvolle Stimmung. Jan schlägt die nächste Seite auf.
    Durch das Fenster sah Maria, wie die kleine Amelia die Treppe zur Tür des Leuchtturms hinaufstieg.
    Â» Hallo? « , rief sie wieder.
    Dann machte sie noch einen Schritt, und jetzt war sie fast im Leuchtturm drinnen.
    Da tat Maria etwas, was ihr zunächst gar nicht eingefallen war. Sie hob die Hand zum Fenster, schloss die Augen und schuf schnell ein Schutztier.
    Jan hat damit gerechnet, von den Kindern gefragt zu werden, was ein Schutztier ist, er weiß das ja selbst nicht, aber sie sitzen immer noch schweigend und aufmerksam da. Er schlägt die nächste Seite auf und fährt fort:
    Maria konnte jedem Menschen ein eigenes Schutztier machen, doch leider wusste man vorher nie, wie es aussehen würde. Als Maria jetzt die Augen wieder öffnete, sah sie, dass Amelia von etwas umarmt wurde, das wie ein großer Frosch aussah. Ein gelber Frosch mit langen, haarigen Beinen.
    Â» Mein Liebes! « , rief der Frosch aus. » Lange nicht gesehen! «
    Das Schutztier umarmte Amelia und zog sie rasch von der Leuchtturmtür weg.
    Maria atmete auf. Sie ging hin und öffnete die Tür zu ihrer

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