So bitterkalt
mehr.
Als die anderen den Raum verlassen haben, bleibt Jan zurück.
»Haben sie etwas über den Vorfall heute Nacht gesagt?«
Maire-Louise sieht aus, als wolle sie lieber an etwas anderes denken. Aber sie antwortet dennoch: »Ja. Es handelte sich um einen Patienten mit Zwangseinweisung, der sich aus der Abteilung davongestohlen hat, und er hat es bis zur Einzäunung geschafft. Das geschieht manchmal. Aber weiter ist er nicht gekommen, und jetzt sind die SicherheitsmaÃnahmen noch mehr verschärft worden.«
»Das ist gut«, meint Jan, obwohl die Verschärfung der Ãberwachung im Krankenhaus die zweite schlechte Nachricht des Tages für ihn ist.
An diesem Abend klingelt zwischen all den Möbeln in seiner Wohnung das Telefon. Jan lässt es ein paarmal klingeln, ehe er im Durcheinander nach dem Hörer wühlt und das Gespräch annimmt.
Wahrscheinlich ist es seine Mutter in Nordbro, denkt er, doch es ist die Stimme einer jüngeren Frau. Er braucht ein paar Sekunden, ehe er Hanna Aronsson erkennt. Sie hatte heute frei gehabt.
»Hast du von der Abschaffung der Nachtschicht gehört?«, fragt sie.
»Ja«, antwortet Jan. »Und du weiÃt auch schon davon?«
»Lilian hat mich angerufen.«
»Das heiÃt für uns: keine weiteren Abendunternehmungen«, sagt Jan.
Er weiÃ, dass Hanna versteht, was er meint. Im Hörer wird es still, dann fragt sie: »Kannst du heute Abend kurz zu mir kommen? Bellmans gränd Nummer fünf.«
»In Ordnung, aber warum?«
»Ich will dir deine Bücher zurückgeben«, erklärt sie. »Und ein bisschen reden.«
Sie beenden das Gespräch. Jan erinnert sich an Hannas blaue Augen und überlegt, ob er jetzt eine neue Freundin hat, so wie Rami es vor fünfzehn Jahren gewesen war.
Hanna wohnt in einem Ziegelsteinneubau in der Nähe des Stortorget. Die Tür wird schnell geöffnet, und sie bittet ihn in eine helle und völlig staubfreie Wohnung, die in rosa und weià tapeziert ist.
»Hallo, komm rein.«
Sie lächelt ihm nicht zu, sondern nickt nur angespannt und geht dann in die Küche. Jan folgt ihr, bleibt aber im Wohnzimmer stehen. Er ist neidisch, wie groà und hell hier alles ist.
Er stellt sich vor ihr Bücherregal und betrachtet die Buchrücken. Zu seiner Ãberraschung stellt er fest, dass Hanna Fachliteratur über Morde und Verbrechen liest. Er sieht Titel wie Die schlimmsten Morde der Geschichte , Die Monster unter uns , Charles Manson in seinen eigenen Worten , Ted Bundys Bekenntnisse und The Serial Killers â a Study in the Psychology of Violence .
Mörder-Bücher, und zwar eine ganze Menge. »Kommst du?«, ruft Hanna aus der Küche.
»Gleich.«
Hanna bereitet für sie beide Tee zu. Ihre Küche ist klein, aber ebenso sauber wie das Wohnzimmer, mit ordentlich zusammengefalteten Geschirrtüchern neben dem Herd. Auf dem Küchentisch liegen vier dünne Bücher, die Jan wiedererkennt: Die hundert Hände der Prinzessin, Die Tiermacherin, Die Hexenkrankheit und Viveca im Steinhaus.
Hanna reicht sie Jan. »Danke fürs Ausleihen.«
»Hast du sie gelesen?«
»Ja. Aber das sind wirklich sehr gewalttätige Geschichten. Etwa als die Handprinzessin die Hände des Landstreichers dazu bringt, diese Räuber zu erwürgen ... Das ist doch wohl nichts, was man den Kindern vorlesen will, oder?«
Jan ist derselben Ansicht, aber er sagt: »Die sind nicht schlimmer als deine Bücher.«
»Welche Bücher?«
»Die in deinem Regal stehen. Die Mörder-Bücher.«
Hanna senkt den Blick.
»Ich habe sie nicht alle gelesen«, erklärt sie. »Aber nachdem ich in Kontakt mit Ivan gekommen war, wollte ich einfach mehr wissen. Es gibt unglaublich viel Fachliteratur über Mörder.«
»Das Böse zieht die Menschen an«, sagt Jan. Und fährt nach einem kurzen Schweigen fort: »Rössel hat noch andere Brieffreundinnen neben dir, wusstest du das?«
»Nein.« Hanna sieht Jan mit neu erwachtem Interesse an. »Woher weiÃt du das?«
»Ich habe ein paar Briefe gesehen, die er bekommt.«
»Waren sie von Frauen?«
»Einige.«
»Liebesbriefe?«, fragt Hanna.
»Vielleicht â ich habe sie nicht gelesen.«
Jan hat nicht vor, irgendjemandem zu gestehen, dass er heimlich Briefe öffnet und liest.
Vor ihnen auf dem Küchentisch liegt ein
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