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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Stablampe.
    Â»Wer ist da?«, fragt eine Stimme.
    Â»Jan Hauger. Ich arbeite in der Vorschule.«
    Â»In Ordnung«, sagt die Stimme, »ich kenn dich, du bist meine Vertretung bei den Bohemos.«
    Die Gestalt tritt einen Schritt näher, und da erkennt Jan den Schlagzeuger Carl mit den breiten Schultern, nun mit Tränengas und Handschellen am Gürtel. Rettigs Freund und Hannas Kontakt im Krankenhaus.
    Jan würde ihn gerne danach fragen, aber Carl kommt ihm zuvor: »Hast du geliefert?«
    Â»Was geliefert?«
    Â»Den Umschlag?«
    Carl deutet mit einem Nicken zum Krankenhaus, in Richtung Besuchsraum hinauf, und Jan begreift. Carl weiß, dass Jan ein Teil der Schmuggelkette ist. Es macht wohl keinen Sinn, das zu leugnen.
    Â»Ja«, bestätigt er deshalb leise. »Ich war oben.«
    Â»Okay, dann hole ich ihn«, sagt Carl. »Später, wenn sich alles beruhigt hat.«
    Â»Was ist denn passiert?«, fragt Jan.
    Â»Ein Vier-Vierer.«
    Â»Ist das ... ein Ausbruch?«
    Â»Klar«, bestätigt Carl. »Aber der Zaun hat ihn aufgehalten, und am Ende werden wir ihn wieder einsammeln.«
    Â»Was werdet ihr tun?«, fragt Jan.
    Â»Wir kümmern uns schon darum. Geh du nur rein. Leg dich hin und schlaf.«
    Jan nickt und will sich eben zum Gehen wenden, als der Wachmann hinzufügt: »Wir müssen bald damit aufhören.«
    Er scheint mit sich selbst zu reden, aber Jan hält inne und fragt: »Du meinst, mit den Briefen?«
    Carl nickt. »Mit allem. Das läuft alles aus der Spur.«
    Â»Wie das?«
    Doch Carl antwortet nicht. Er geht nur an der Einzäunung entlang weiter und verschwindet in der Dunkelheit.

37
    Jan wacht lange vor den Kindern gegen fünf Uhr auf. Er hat nur wenige Stunden schlafen können und dabei unangenehme Träume gehabt – er ist in einem See geschwommen und mit den Füßen im Lehmboden stecken geblieben, hat gekämpft und gekämpft, sich aber nicht befreien können.
    Gegen halb acht betritt Marie-Louise die Vorschule, und da erzählt er ihr gleich das wenige, was er über die nächtlichen Ereignisse weiß.
    Â»Ein Ausbruch?«
    Seine Chefin scheint die Neuigkeit zu erschrecken, also fügt Jan hinzu: »Zumindest ein Ausbruchsversuch.«
    Â»Ich werde nachfragen, was passiert ist«, erklärt Marie-Louise.
    Dann öffnet die »Lichtung« ihre Türen, und Spiele und Krankenhausbesuche beginnen, doch als die Kinder nach dem Mittagessen ruhen, ruft Marie-Louise ihre Mitarbeiter zu einer Besprechung zusammen.
    Jan setzt sich an den Tisch. Er ist auf alles gefasst.
    Â»Wir haben eine Anweisung von der Klinikleitung bekommen«, berichtet Marie-Louise. »Es ist beschlossen worden, die ›Lichtung‹ nachts zu schließen.«
    Alle, auch Jan, nehmen die Nachricht schweigend auf. Doch er ist erstaunt – schließlich hat er gerade Nachtschichtphase und noch zwei Dienste vor sich.
    Â»Dann werden wir also nur noch am Tag hier sein?«, fragt Lilian.
    Â»Genau.« Marie-Louise scheint mit der Entscheidung ganz zufrieden zu sein. Weiter erklärt sie: »Wir wussten schon immer, dass die Nachtschichten in der ›Lichtung‹ keine Dauerlösung sind. Kinder sollen in einem richtigen Zuhause wohnen, und das Jugendamt meint, jetzt sowohl für Leo als auch für Mira jeweils eine gute Familie gefunden zu haben. Somit wird also alles in Ordnung sein.«
    Jan lehnt sich vor und fragt: »Wann wird die neue Regelung in Kraft treten?«
    Â»Sehr bald. Ab Mitte November werden wir nur noch Tagdienst haben.« Marie-Louise scheint seinen sorgenvollen Blick zu bemerken, denn sie fährt fort: »Aber mach dir keine Sorgen, Jan, deine Vertretungsstelle ist dadurch nicht gefährdet. Die Stellen werden davon nicht beeinträchtigt sein, wir werden die Dienste so umorganisieren, dass es mehr Tagschichten gibt.« Sie lächelt ihren Leuten zuversichtlich zu. »Es wird in der ›Lichtung‹ mehr Gemeinschaft geben und weniger allein gearbeitet werden.«
    Jan sieht auch froh aus, doch das ist nur äußerlich. Schließlich wartet er auf eine Antwort von Rami, und wie soll er die dann bekommen? Zudem ist er überzeugt davon, dass die Nachtschichten aus Sicherheitsgründen abgeschafft werden. Eventuell wegen des Ausbruchsversuchs oder weil Marie-Louise die Kellertür offen vorgefunden hat. Vielleicht vertraut sie ihren Mitarbeitern nicht

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