So bitterkalt
die Nachtkälte hinaus und geht mit seinem Rucksack, gefüllt mit Ramis Bilderbüchern, auf direktem Weg nach Hause.
Die Klapse
Das Konzert, das mit einem Kuss und einer Schlägerei endete, sollte im Fernsehzimmer der Klapse stattfinden.
Es war für neunzehn Uhr angekündigt, doch zu dem Zeitpunkt waren nur drei Personen erschienen. Die Erste war die schwarz gekleidete Frau, die bei Rami ins Zimmer gesehen und sie an einen Termin erinnert hatte. Die »Psychotante«, wie Rami sie nannte. AuÃerdem war der Pfleger Jörgen zusammen mit einem kleinen Mädchen mit scheuen blauen Augen gekommen, das Jan noch nie mit jemandem hatte reden sehen. Sie war ebenso schüchtern wie er selbst.
Jan hatte das Schlagzeug schräg hinter Ramis Mikrofon aufgestellt, damit er gehört, aber nicht gesehen wurde. Er bereute das Unternehmen bereits.
Um fünf nach sieben tauchten weitere Zuhörer auf â die Gespenster, wie Rami sie nannte. Sie schlenderten herein und setzten sich im Schneidersitz auf den Boden. Jan kannte nicht viele Namen, doch inzwischen erkannte er fast alle Insassen der Klapse wieder. Es waren ungefähr fünfzehn Halbwüchsige, die meisten Mädchen, aber ein paar Jungs waren auch dabei. Einige hatten struppiges schwarzes Haar, andere waren ordentlich gekämmt. Manche saÃen unbeweglich da, andere konnten sich keine Sekunde still halten, und ihr Blick wanderte die ganze Zeit rastlos umher. Waren sie drogenabhängig? Waren sie Mobber oder vielleicht Gemobbte?
Jan wusste von keinem der anderen, weshalb sie in der Klapse waren. Er kannte keinen auÃer Rami. Und als er eine magere Vierzehnjährige beobachtete, wie sie erst Rami ansah und sich dann zu ihrer Freundin hinüberbeugte, um laut zu flüstern: »Wer ist die denn?«, begriff er, dass Rami sich noch mehr von den anderen ferngehalten hatte.
Nun stand sie schweigend und abwartend am Mikrofon, mit geradem Rücken, die Gitarre fest im Griff und beinahe kreideweià im Gesicht. Jetzt stellte sich Jörgen neben sie, die Hände in den Hosentaschen, und richtete sich an die Schar von Teenagern: »Okay, jetzt gibt es ein bisschen Musik. Das hier sind unsere Freunde Alice und Jan, die ein paar Lieder spielen werden.«
Diese Ankündigung wurde mit etwas albernem Gekicher und einer besorgten Frage kommentiert.
»Was ist mit Fernsehen?«, wollte ein langer Typ in Jeansjacke wissen. Jan konnte sich an seinen Namen nicht erinnern. »Heute Abend kommt Hockey. Dürfen wir nicht Fernsehen?«
»So viel ihr wollt, aber nach der Musik«, sagte Jörgen. »Und jetzt seid still.«
Aber die Gespenster waren nicht still. Sie stieÃen sich gegenseitig in die Seite und kicherten und flüsterten.
Rami hatte Lampenfieber. Nicht so sehr wie Jan, aber sie schloss die Augen, als würde sie am liebsten vergessen, dass noch andere im Raum waren. Trotzdem gab es da einen deutlichen Kontakt zwischen ihr und dem Publikum. Sowie Rami den Mund öffnete, schlossen die Teenager, die auf dem FuÃboden saÃen, ihre Münder. Alle starrten sie an.
»Okay«, sagte Rami mit schleppender Stimme ins Mikrofon, »als Erstes spielen wir ein amerikanisches Lied, das ich übersetzt habe ...«
Sie begann mit »House of the Rising Sun« in ihrer schwedischen Version. Das war gut für Jan, denn die Schlagzeugbegleitung beherrschte er am besten. Dann brachte sie ihre Ãbersetzung und Interpretation von Neil Youngs »Helpless« und Joy Divisions »Ceremony«.
Von Strophe zu Strophe entspannte sich Rami mehr, und ihr Gesicht hatte eine gesündere Farbe angenommen. Als die letzten Töne von »Ceremony« verklungen waren, drehte sie sich plötzlich um, ging zu Jan, der hinter seinem Minischlagzeug saÃ, und gab ihm einen Kuss auf den Mund.
Der Kuss dauerte nur drei Sekunden, aber in denen stand die Welt still.
Danach lächelte Rami ihn an und ging wieder zum Mikrofon.
»Das letzte Lied für heute heiÃt âºJan und ichâ¹Â«, verkündete sie und gab Jan mit dem Finger den Takt an.
Diesen Titel hatte er noch nie gehört, auÃerdem war er nach dem Kuss völlig von der Rolle. Doch schlieÃlich begann er den Takt zu schlagen. Rami schlug einen MollÂakkord an und fing an zu singen:
Ich liege in meinem Bett,
und Jan liegt nebendran.
Da wissen wir, wo wir sind
und wohin unsere Reise führt
Sie führt geradewegs ins All,
und da ist
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