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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Mädchen im Flur stehen. Eines der Gespenster.
    Â»Wie?«
    Â»Sie haben sie runter ins Loch gebracht.«
    Â»In Loch? Was ist das denn?«
    Â»Da wird man eingesperrt, wenn man irgendwie Ärger macht oder so.«
    Â»Wo ist das?«
    Â»Unten im Keller«, erklärte das Gespenst. »Da ist eine Tür mit ganz vielen Schlössern.«
    Das Loch?
    Jan schlich sich in die Unterwelt, in die langen, stillen Gänge. Er fand die richtige Tür und klopfte. Auch jetzt bekam er keine Antwort, die Tür war aus Stahl und verschluckte wahrscheinlich alle Geräusche. Doch unten entdeckte er einen schmalen Spalt.
    Jan ging in sein Zimmer zurück und holte Papier und Stifte. Er wusste nicht, was er Rami schreiben sollte, aber er musste sie schließlich aufmuntern, also schrieb er:
    GUT GESPIELT!
    JAN
    Er schob das Papier unter der Tür hindurch und schaffte es sogar, einen Stift hinterherzuschieben. Eine Minute rührte sich nichts. Dann kam der Zettel wieder zurück. Nur ein Satz stand dort:
    ICH BIN EIN EICHHÖRNCHEN OHNE BÄUME UND OHNE LUFT.
    Er betrachtete das Papier. Dann setzte er sich hin und fing an, ein Mädchen mit einer Gitarre zu zeichnen. Sie stand mit erhobenen Händen auf einer großen Bühne vor einem riesenhaften Publikum. Er zeichnete Ramis Gesicht, so gut er konnte, dann schob er das Papier unter der Tür hindurch und schlich davon.
    Am nächsten Morgen hörte er Lärm im Flur. Schwere Schritte und laute Stimmen, und dann wurde Ramis Tür geöffnet und schlug wieder zu.
    Als alles wieder still war, ging er hinüber und klopfte bei ihr.
    Â»Wer ist da?«, fragte sie tonlos und ohne jede Neugier durch die Tür.
    Â»Jan.«
    Ein paar Sekunden war es still, dann antwortete sie: »Komm rein.«
    Vorsichtig, als könnte sie kaputtgehen, öffnete er die Tür. Im Zimmer war es dunkel, aber das war er gewohnt.
    Â»Danke für das Bild«, sagte sie nur.
    Â»Gern geschehen.«
    Rami lag auf dem Bett, die Gitarre wie ein Haustier neben sich, und starrte an die Decke. Jan konnte nicht sehen, ob sie festgebunden war. Er hatte keine Angst, blieb aber trotzdem an der Tür stehen.
    Â»Das ist gut gelaufen gestern«, sagte er. »Echt gut.«
    Rami schüttelte den Kopf.
    Â»Ich muss aus der Klapse raus, die machen mich hier total fertig. Du willst doch wahrscheinlich auch weg, oder?«
    Sie hatte den Kopf gehoben und sah ihn an. Jan nickte vorsichtig, obwohl das nicht der Wahrheit entsprach. Er wollte bis ans Ende seiner Schulzeit in der Klapse bleiben, essen, schlafen, mit Jörgen Tischtennis spielen und mit Rami Musik machen.
    Sie sah wieder zur Decke.
    Â»Aber erst werde ich es ihr heimzahlen.«
    Â»Wem?«
    Â»Der Psychotante. Die mich eingesperrt hat.«
    Â»Ich weiß«, sagte Jan.
    Â»Das ist noch nicht mal das Schlimmste«, fauchte Rami. Sie deutete mit einem Nicken zum Schreibtisch. »Während ich da unten gesessen habe, ist sie hier rein und hat mein Tagebuch geklaut. Ich weiß, dass sie es jetzt von vorn bis hinten durchliest.«
    Jan sah zum Schreibtisch. Das war möglich, denn das Buch, das auf dem Tisch gelegen hatte, war weg.
    Â»Das wird ihr noch leidtun«, schnaufte Rami. »Ihr und ihrer Familie.«

38
    Jan kann sich nicht erinnern, jemals in all den Jahren, in denen er in Mietshäusern gewohnt hat, mit einem Nachbarn gesprochen zu haben.
    Doch hier in Valla gibt es einen Nachbarn, den er angesprochen hat und den er gern wiedertreffen würde.
    Nach dem Abend bei Hanna legt er zu Hause Ramis Bilderbücher wieder auf den Tisch, und dann schläft er tief und fest.
    Als er erwacht, ist er immer noch müde, doch er hat einiges zu erledigen. Nach dem Frühstück nimmt er eine leere Kaffeetasse, geht damit zwei Treppen tiefer und ­klingelt erneut beim Nachbarn mit dem Namensschild V. LEGÉN.
    Es dauert fast eine Minute, ehe die Tür geöffnet wird. Der Geruch von Pfeifentabak und Alkohol dringt Jan in die Nase, und der grauhaarige Mann sieht ihn mit leerem Blick an, während er selbst Herrn Legén mit einem breiten Lächeln bedenkt.
    Â»Guten Tag«, sagt er. »Ich bin’s schon wieder, der eifrige Bäcker von zwei Etagen höher. Hätten Sie vielleicht noch einmal etwas Zucker für mich?«
    Der Nachbar scheint ihn wiederzuerkennen, grüßt jedoch nicht.
    Â»Normalen Zucker?«, fragt er nur.
    Â»Ganz gleich, welche Sorte.«
    Legén nimmt

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