So bitterkalt
und wieder.«
»Haben Sie da oben jemanden getroffen?«
Legén nickt. Er scheint sich an die Begegnungen zu erinnern.
»Eine Frau?«
Legén nickt traurig. »Sie sah gut aus, war sehr schön, aber sie trug die Hölle in sich.«
Jan fragt nicht weiter.
Luchs
Die Kriminalbeamtin hatte hellgrüne Augen, die starrten und starrten, und ihr Blick wich niemals aus. Als ob das Haus »Luchs« jetzt von einer Polizistin geleitet würde, saà sie ganz entspannt auf Ninas Schreibtischstuhl im Büro. Jan versuchte, ebenso entspannt zu wirken, er war schlieÃlich nur einer in der Reihe der Tagesstättenmitarbeiter, die von der Polizei verhört wurden.
»Haben Sie im Wald noch jemand anderen gesehen?«
»Sie meinen, einen Erwachsenen?«
»Ein Kind oder einen Erwachsenen«, erwiderte die Polizistin. »Jemanden, der nicht zu der Gruppe gehörte, die ja aus Ihnen, Ihrer Kollegin und den Kindern bestand.«
Jan sah die Polizistin an und tat so, als würde er nachdenken. Er könnte einen Schatten zwischen den Bäumen erfinden, eine dort kauernde männliche Gestalt, die mit gierigem Blick nach den Jungen gespäht hatte, aber er wusste, dass die Polizei inzwischen nach einem Kidnapper suchte, und wollte sich selbst nicht mit einer solchen Figur in Verbindung bringen. Also schüttelte er lediglich den Kopf.
»Ich habe niemanden gesehen, aber ich habe viele Geräusche gehört.«
»Geräusche?«
Natürlich hatte Jan überhaupt keine Geräusche gehört, aber jetzt musste er weitermachen: »Ja. Knackende Ãste, so als würde sich jemand im Unterholz bewegen. Aber ich dachte, es wären irgendwelche Tiere.«
»Was für Tiere?«
»Ich weià nicht. Hirsche vielleicht. Oder ein Elch.«
»Mit anderen Worten, irgendetwas GröÃeres.«
»Genau, ein groÃes Tier. Aber kein Raubtier.«
Die Polizistin sah ihn erstaunt an.
»Was meinen Sie mit âºRaubtierâ¹?«
»Na ja, die gibt es schlieÃlich im Wald«, sagte Jan. »Man kriegt sie nicht oft zu Gesicht, weil sie so scheu sind, aber es gibt dort Bären und Luchse und Wölfe. Obwohl, Wölfe vielleicht nicht, so weit südlich.«
Jan merkte, dass er angefangen hatte, dummes Zeug zu plappern, er machte den Mund zu und lächelte etwas verspannt. Die Polizistin fragte nicht weiter.
»Vielen Dank«, sagte sie nur und schrieb etwas auf ihren Notizblock.
Jan stand auf.
»Gibt es noch einmal einen Suchtrupp?«
»Im Moment nicht«, erwiderte die Polizistin. »Aber es wird erneut ein Hubschrauber eingesetzt werden, und dann wird es ein paar punktuelle Suchaktionen geben.«
»Ich helfe gern«, erklärte Jan. »Wobei auch immer.«
»Gut.«
Als Jan aus dem Zimmer kam, sah er auf die Uhr. Es war zwanzig nach zwei. Bald war es einen Tag her, dass William in den Bunker gekrochen und Jan hingeschlichen war und ihn eingeschlossen hatte.
Es fühlte sich an wie ein Jahr.
Nina und die anderen Kolleginnen vom »Luchs« und vom »Braunbären« saÃen im Personalraum. Sie sprachen kaum miteinander, sondern warteten nur. Die Stimmung glich der bei einem Begräbniskaffee. Sigrid Jansson war nicht mehr dabei, sie hatte sich, nachdem die Polizei sie verhört hatte, krankschreiben lassen und war nach Hause gegangen.
Denn das waren doch Verhöre, die die Polizei hier durchführte? So hatte Jan es zumindest empfunden, und die Fragen hatten ihn völlig fertiggemacht. Er wusste, dass die Polizei den Brief gelesen hatte, den er Williams Eltern geschickt hatte, und dass sie nach einem Kidnapper suchte, doch ihn hatten sie ja wohl nicht in Verdacht, oder?
Er goss sich einen Kaffee ein, setzte sich zu den anderen und versuchte sich zu entspannen. Obwohl es noch früh am Tag war, war die Sonne drauÃen vor dem Fenster bereits verschwunden, und bald würde die Abenddämmerung einsetzen.
Williams zweite Abenddämmerung im Wald, gefolgt vom Abend, gefolgt von der Nacht.
»Wie geht es dir, Jan?«, fragte eine Kollegin leise.
Er sah auf.
»Gut.«
»Es war nicht deine Schuld.«
»Danke.«
Nicht seine Schuld. Manchmal glaubte Jan selbst, dass William nur versehentlich verschwunden war. Doch dann erinnerte er sich an die Wahrheit, und die setzte ihm zu.
Ohne die Kinder war es in der Tagesstätte unerträglich still. Totenstill. Hin und wieder betraten uniformierte Polizisten
Weitere Kostenlose Bücher