So erregend rätselhaft (German Edition)
hier? Warum nicht in Toronto, New York oder Antwerpen?
Aber Dex beantwortete diese Fragen nicht. Himmel, er gab ihr nicht einmal Zeit, sie zu stellen. Ihr Rundgang erfolgte im Eiltempo.
Zum Abschluss geleitete er sie noch in ein geräumiges Eckbüro mit atemberaubendem Blick auf die Stadt. Im Gegensatz zu den anderen Büros war dieses hier freundlich und einladend. Die beiden nicht verglasten Wände waren mit Holz getäfelt. Einige gerahmte Familienfotos hingen da. Ein riesiger Schreibtisch aus Mahagoni dominierte den Raum, auf beiden Seiten standen dunkle Lederstühle. Auf dem Schreibtisch stapelten sich Unterlagen und Ordner.
Die unbestreitbare Eleganz der Einrichtung bekam durch die Unordnung etwas Menschliches. Es war ein angenehm intimer Einblick in seinen Büroalltag.
„Das ist also dein Büro.“
„Nein. Das hier ist Dereks Büro.“
„Oh.“ Ihr ohnehin geringes Interesse am Rundgang verflog vollends.
„Setz dich doch.“
Warum bin ich überhaupt auf diesen Empfang gegangen, fragte sie sich, während sie auf einem der Lederstühle Platz nahm.
Sie fühlte sich absolut fehl am Platz, und sie überlegte, ob diese Tour womöglich dazu dienen sollte, sie zu beeindrucken oder einzuschüchtern.
„Wenn das nicht dein Büro ist, warum sind wir dann hier?“
„Darum.“ Dex drehte sich zu einem der größeren Bilder seiner Familie um.
Doch ehe sie auch nur einen Blick darauf werfen konnte, schob er es zur Seite, und ein Wandsafe kam zum Vorschein.
„Oh.“ Sie sank in ihren Stuhl zurück. „Wie aufregend.“
Warum wollte er ihr nichts aus seiner Vergangenheit erzählen? Und warum war sie so darauf erpicht, etwas darüber zu erfahren? Doch sie kannte die Antwort längst. Wenn er ihr erst einmal vertraute, wenn er sich ihr erst öffnete und ihr die Wahrheit über sich erzählte, würde es irgendwie einfacher sein, ihm ihre Wahrheit zu sagen. Ihm alles über ihren Plan zu sagen und ihre Hoffnung, dass es nicht zu spät war, um Verzeihung zu bitten.
Gleich darauf hatte Dex den Safe geöffnet und entnahm ihm eine schwarze Samtrolle, die dem Stück Stoff, das der Juwelier am Vormittag verwendet hatte, um den Ring zu reinigen, nicht unähnlich war. Lucy hätte nicht sagen können, warum, aber ihr wurde unbehaglich zumute.
„Seit Jahren hat Derek auf ein Gesamtkonzept hingearbeitet.“
„Verstehe“, murmelte sie, obwohl sie keine Ahnung hatte, was das mit der ganzen Situation zu tun hatte.
„Diamantminen zu besitzen ist unzweifelhaft profitabel. Aber er hat immer eine Tochtergesellschaft von Messina Diamonds in Antwerpen eröffnen wollen, damit wir auch das Schleifen, Polieren und den Großhandelsverkauf unserer Steine durchführen können.“
Diese kühle und nüchterne Diskussion über die Firmenexpansion entspannte Lucy irgendwie. Dex würde nichts Dummes tun. Für ihn waren Diamanten kein Schmuck, sie waren ein Geschäft.
Er machte auf dem Schreibtisch vor ihr ein wenig Platz und rollte den Samt aus, der nur etwas größer als ein DIN-A4-Blatt war. Ein Dutzend Diamanten funkelten auf dem pechschwarzen Samt um die Wette.
Überrascht hielt Lucy den Atem an. Keine Frau der Welt war immun gegen so viel glitzernde Schönheit.
„Und die sind aus eurer Mine?“
„Sie sind die erste Charge aus unserer neu gegründeten Schleiferei. Ich habe sie geprüft und von meiner letzten Reise nach Belgien mitgebracht.“
„Verstehe.“ Obwohl sie natürlich nichts verstand. Seine Welt war meilenweit von ihrer Welt entfernt. Diamanten, Schleifereien, Geschäftsreisen nach Europa – das war ihr alles so fremd.
„Ich persönlich habe jeden einzelnen dieser Steine geprüft. Du wirst keine reineren Diamanten auf der ganzen Welt finden. Einer davon könnte dir gehören.“
Lucy lachte auf. „Nicht, wenn ich nicht mein Sparbuch und meinen Rentenfonds auflöse. Und selbst dann dürfte es knapp werden.“
„Das habe ich nicht gemeint.“
„Das habe ich befürchtet.“
„Ich bitte dich …“
„Dex …“
„… meine Frau zu werden. Du brauchst nur den Diamanten für deinen Ring auszusuchen.“
Sie fühlte sich plötzlich so unbehaglich wie noch nie zuvor. Es war eine seltsame Mischung aus Ärger und Neid. Aber auf wen war sie neidisch?
Dex hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht. Warum also hatte sie das Gefühl, dass gar nicht sie es war, die er wollte?
Ihr Ärger war der Situation schon eher angemessen. Ihr Leben lang hatte sie auf diesen Moment gewartet – davon geträumt. Auf den Moment, wenn
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