So erregend rätselhaft (German Edition)
um sein Ziel zu erreichen.
Als er ihr das Päckchen überreichte, das er am Nachmittag vom Speicher geholt hatte, kam es ihm fast natürlich vor.
„Was ist das?“ Verblüfft sah sie das in Geschenkpapier gewickelte Päckchen an.
„Du wolltest doch, dass ich dir etwas Persönliches schenke. Pack es aus.“
„Dex, ich …“
„Das hier ist nicht leicht für mich. Pack es einfach aus, okay?“
Stirnrunzelnd löste Lucy das Papier, und zum Vorschein kam eine zerlesene Kopie von Mark Twains Die Abenteuer des Tom Sawyer.
Es war keine unschätzbar wertvolle Erstausgabe, die zum Familienbesitz gehörte. Keine elegant in Leder gebundene Ausgabe. Es war ein billiges Taschenbuch. Der Einband war zerknittert, die Seiten waren vergilbt und hatten Eselsohren, und auf die erste Seite war „Eigentum der Spence-Mittelschule“ gestempelt.
Lucy war nun völlig verwirrt. „Ich verstehe gar nichts.“
„In dem Jahr, als bei meiner Mom Krebs festgestellt wurde, war ich in der siebten Klasse. Es war das einzige Jahr, in dem wir das ganze Jahr über die Schule besuchten. Meine Englischlehrerin hat uns dieses Buch vorgelesen.“
Seine Stimme klang seltsam hohl und emotionslos. Aber das Ganze war eben nicht leicht für ihn. Und sie brauchte keinen Gefühlsausbruch, um zu erraten, was dieses Buch für ihn bedeutet haben musste.
Lucy konnte sich alles genau vorstellen. Den hageren, abweisenden Teenager, der da im Englischunterricht saß und so wütend auf die Welt war – auf seine Mutter, weil sie krank war, auf seinen Vater, weil er nicht mehr für sie tat – und langsam von der Geschichte über Tom Sawyer in den Bann gezogen wurde. Mit seinen Streichen und Abenteuern eroberte er schließlich das Herz eines jeden Jungen.
Und Tom war ein Waisenkind und kam ganz ohne Eltern oder andere Erwachsene durchs Leben. Zu einer Zeit, als er das Gefühl hatte, seine eigenen Eltern hätten ihn verlassen, musste Dex in Tom Sawyer fast so etwas wie einen Seelenverwandten gesehen haben.
Als sie die zerlesene Ausgabe von Tom Sawyer betrachtete, ging Lucy das Herz auf. Falls sie noch einen winzigen Rest Schutzwall gegen diesen Mann gehabt hatte, so fiel dieser in sich zusammen, und sie war ihm nunmehr ganz ausgeliefert.
Sie hatte Tränen in den Augen, als sie zu Dex hochsah. „Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
„Sag, dass du mich heiratest.“
„Ich …“
„Du wolltest eine romantische Geste.“ Sein Lächeln war ein wenig schief. „Ich persönlich fand ja, dass die Diamanten viel romantischer waren, aber …“
Lucy konnte förmlich spüren, dass er auf ihr Ja wartete.
Dex hatte sich solche Mühe gemacht, hatte nach etwas aus seinem Leben gesucht, das er ihr schenken konnte, das ihr persönlich genug war. Etwas, das „romantisch“ genug war.
Und dennoch konnte sie nicht Ja sagen. Immerhin wusste er nicht, wer sie war. Er würde sie hassen, wenn er es erfuhr.
Doch Nein sagen konnte sie auch nicht. Ihr fiel nur eines ein: ihn zu küssen.
Sicher, es gab tausend Gründe, warum ein Kuss genauso töricht war, wie Ja zu sagen. Er gab ihr eine Gnadenfrist, mehr nicht. Dennoch wollte sie in diesem Moment nichts anderes, als sich an Dex zu drängen und in die Zärtlichkeit all das hineinzulegen, was sie ihm nicht sagen konnte. All die Zweifel, die sie hatte, und das Bedauern, das sie fühlte. All die Sehnsucht.
Sie würde ihm sehr bald die Wahrheit sagen müssen, und danach würde er sie verachten. Wahrscheinlich würde es das letzte Mal sein, dass er sie küsste.
Also wollte sie es gründlich genießen.
Sein Körper fühlte sich hart und fest unter ihren Händen an. Seine Muskeln waren kräftig, ohne übertrainiert zu sein. Seine Lippen waren warm und willig unter ihrem Mund.
Dex kam ihrem Kuss ohne jede Zurückhaltung entgegen. Vielleicht hielt er ihn auch für die ersehnte Antwort. Das schlechte Gewissen, das sie bei diesem Gedanken überkam, verdrängte sie schnell. Vielleicht war der Kuss nicht die Antwort, die er sich wünschte, aber er war die Antwort ihres Herzens.
Als er die Hände unter ihr T-Shirt schob, bremste sie ihn nicht. Vielmehr genoss sie es, wie sich seine Hände auf ihrem nackten Bauch anfühlten. Seine Berührung löste prickelndes Begehren in ihr aus.
Ihr Blut schien in ihren Adern zu pochen, ließ ihre Brustspitzen zu harten Knospen werden. Zwischen ihren Beinen pulsierte die Lust. Ihr heißes Verlangen steigerte sich rasend schnell, weil sie wusste, was kommen würde. Sie wusste, was
Weitere Kostenlose Bücher