Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
Vom Netzwerk:
versehen. Nur eine kleine, bei der Oskar geistesabwesend gewesen war, hatte ein »P« bekommen. Oskar fügte ein Kreuz hinzu, durch das er vier offene Viererreihen erhielt, von denen Papa nur eine blockieren konnte. Papa seufzte und schüttelte den Kopf.
    »Tja, mein Lieber, es sieht ganz so aus, als müsste ich mich geschlagen geben.«
    »So sieht es wohl aus.«
    Der Form halber blockierte Papa die eine Viererreihe, und Oskar setzte ein fünftes Kreuz an ihre andere Seite, kreiste alles ein und schrieb ein säuberliches »O« hinein. Papa kratzte sich an den Bartstoppeln, blätterte zu einem neuen Blatt um und drohte ihm mit dem Stift.
    »Diesmal werde ich dich jedenfalls …«
    »Träum weiter. Du fängst an.«
     
    Sie waren vier Kreuze und drei Kreise weit in der neuen Partie, als es an der Haustür klopfte. Unmittelbar darauf wurde sie geöffnet, und man hörte das dumpfe Stampfen von jemandem, der sich den Schnee von den Füßen trat.
    »Hallo im Haus!«
    Papa blickte vom Blatt auf, lehnte sich zurück und schaute in den Flur hinaus. Oskar kniff die Lippen zusammen.
    Nein.
    Papa nickte dem Neuankömmling zu. »Komm herein.«
    »Vielen Dank.«
    Plumpe, weiche Schritte ertönten, als jemand mit Wollsocken an den Füßen durch den Flur ging. Einen Moment später betrat Janne die Küche und sagte: »Sieh einer an. Hier sitzt ihr und lasst es euch gut gehen.«
    Papa machte eine Geste in Oskars Richtung. »Tja, meinen Jungen kennst du ja schon.«
    »Sicher«, sagte Janne. »Hallo Oskar. Wie geht’s?«
    »Gut.«
    Bis jetzt. Hau ab.
    Janne schlurfte zum Küchentisch. Seine Wollsocken waren an den Fersen heruntergerutscht und flatterten vorne an den Zehen wie deformierte Taucherflossen. Er zog einen Stuhl heraus und setzte sich.
    »Aha, ihr spielt Fünf gewinnt.«
    »Ja, aber der Junge ist zu gut geworden. Ich komme nicht mehr gegen ihn an.«
    »Ist das wahr? Er hat sicher in der Stadt trainiert, was? Und, traust du dich, gegen mich anzutreten, Oskar?«
    Oskar schüttelte den Kopf. Er wollte Janne nicht einmal ins Gesicht sehen, wusste nur zu gut, welcher Anblick sich ihm dort bieten würde. Wässrige Augen, ein zu einem schäfischen Grinsen verzogener Mund, ja genau, Janne sah aus wie ein altes Schaf, und seine blonden, gekräuselten Haare verstärkten diesen Eindruck sogar noch. Er war einer von Papas »Freunden«, die Oskars Feinde waren.
    Janne rieb sich die Hände und erzeugte so ein Geräusch wie von Sandpapier, und im Gegenlicht, das aus dem Flur hereinfiel, konnte Oskar kleine Hautschuppen zu Boden schweben sehen. Janne litt an irgendeiner Hautkrankheit, die sein Gesicht, vor allem im Sommer, aussehen ließ wie eine verfaulte Blutorange.
    »Tja, hier habt ihr es wirklich gemütlich.«
    Das sagst du immer. Hau ab mit deinem ekligen Gesicht und deinen abgedroschenen Worten.
    »Papa, sollen wir nicht weiterspielen?«
    »Sicher, aber wenn Gäste kommen …«
    »Spielt ruhig weiter.«
    Janne lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schien alle Zeit der Welt zu haben, aber Oskar wusste, die Schlacht war verloren. Es war vorbei. Jetzt würde es wieder so werden.
    Am liebsten hätte er geschrien, etwas in Stücke geschlagen, am besten Janne, als Papa zur Speisekammer ging und die Flasche holte, zwei Schnapsgläser aus dem Schrank nahm und auf den Tisch stellte. Janne rieb sich die Hände, dass die Schuppen tanzten.
    »Ah, sieh einer an. Es ist also doch etwas im Haus …«
    Oskar betrachtete das Blatt mit der laufenden Partie.
    Dorthin hätte er sein nächstes Kreuz gesetzt.
    Aber heute Abend würde es keine weiteren Kreuze geben. Keine Kreise. Nichts dergleichen.
    Es gluckerte spröde in der Flasche, als Papa einschenkte. Der dünne, auf dem Kopf stehende Kegel des Glases füllte sich mit durchsichtiger Flüssigkeit. Es war so klein und zerbrechlich in Papas grobschlächtiger Hand, dass es beinahe verschwand.
    Trotzdem machte es alles kaputt. Alles.
    Oskar zerknüllte die laufende Partie und warf sie ins Feuer. Papa protestierte nicht. Er und Janne unterhielten sich inzwischen über einen gemeinsamen Bekannten, der sich ein Bein gebrochen hatte, sprachen anschließend über andere Beinbrüche, die sie selber erlebt oder von denen sie gehört hatten, füllten erneut ihre Gläser.
    Oskar blieb vor der offen stehenden Ofenluke sitzen und betrachtete das Blatt, das kurz aufloderte, dann schwarz wurde. Anschließend holte er die anderen Partien, verbrannte auch sie.
    Papa und Janne nahmen Gläser und Flasche und gingen ins

Weitere Kostenlose Bücher