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So fühlt sich Leben an (German Edition)

So fühlt sich Leben an (German Edition)

Titel: So fühlt sich Leben an (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Stoll
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Hände. Was in dem Moment interessant wurde, in dem ein Bulle dich aufforderte, ihm deine Hände zu zeigen.
    Das Ganze war, offen gesagt, ein Katz-und-Maus-Spiel. Die SOKO Graffiti kannte mich ja. Die haben mich sogar auf offener Straße angesprochen: » So, Razia, Hagen Stoll, wir wissen, wer du bist, und irgendwann kriegen wir dich.« Ich glaube, auch für sie selbst hatte diese Drohung einen Beigeschmack von sportlichem Ehrgeiz, denn wir liefen uns ständig auf irgendwelchen Jams * über den Weg, wo die Vertreter der Staatsmacht ihre Beobachtungen anstellten und Fotos machten, und bei solchen Gelegenheiten waren sie eigentlich immer nett, kamen auf mich zu und meinten: » Es ist nicht so, dass wir deine Bilder scheiße finden. Du bist ’n guter Sprüher. Nur: Erwischen wir dich, bist du dran.«
    * Hip-Hop-Partys– Anm.d.Red.
    Ziemlich verrückt, wie man sieht. Waren meine Fans und machten gleichzeitig durchaus ernsthaft Jagd auf mich. Und damit will ich meine Graffiti-Story für meine Lehre unterbrechen. Die ist wahrscheinlich schnell erzählt, soll aber nicht ganz übergangen werden, weil meine Lehre mir buchstäblich eine Lehre war…

9 | Ich sprühe vor Ideen
    Fast wäre ich Stuckateur geworden. Dass ich auf dem besten Weg dazu war, kann ich nicht unbedingt behaupten, aber– doch, ja, es hätte so kommen können, und dieses Buch wäre dann hier wohl zu Ende.
    Aber der Reihe nach.
    Mein Vater hätte gern gesehen, dass ich ein Handwerk erlerne. Er selbst wäre wahrscheinlich am liebsten Mechaniker geworden– Motoren, Öl, an Autos friemeln, das war ja genau sein Ding. Aber nicht meins. Ich arbeite nicht so gern mit den Händen. Also habe ich ihn damals verflucht. Ich wollte nicht auf den Bau, weil mir meine Finger dafür zu schade waren, und überhaupt. Kuje und Muttern jedoch dachten: Jetzt haben wir den Kapitalismus, und wenn der Bengel keine Lehrstelle findet, landet er unter der Brücke. Außerdem hatten sie die Befürchtung, dass die Betriebe auf einen mit meinem Notendurchschnitt nicht gerade warteten, weshalb Muttern mich von einem Vorstellungsgespräch zum anderen fuhr. Schließlich hat mich eine Baufirma im Wedding als Lehrling für eine Ausbildung zum Stuckateur genommen, und nicht einmal ein halbes Jahr nach dem Ende meiner Schulzeit beschritt ich den dornig en, aber verheißungsvollen Weg in die bürgerliche Existenz.
    Im Prinzip gar nicht blöd ausgedacht. Berlin boomte in den Neunzigerjahren, da ging baumäßig ungeheuerlich was ab, und der Chef der Baufirma zeigte sich allzeit bestens gelaunt. Ich war der Ossi-Lehrling aus dem fernen und am Ende wohl auch finsteren Marzahn, und anfangs dachte ich: Klasse, das ist ein kreativer Beruf, da wird Gips in Formen gegossen, die man selbst herstellen muss, und die Ergebnisse– Statuen, Bilderrahmen, Verzierungen für die Altbauten Berlins– sind schön anzusehen, die liegen ganz auf der Linie deines eigenen Stadtverschönerungsprogramms, also, das könnte was werden, zumal dein Lehrmeister ein gelassener, witziger Mensch und einfallsreicher Kopf ist. Nur– die Wirklichkeit sah anders aus.
    Ich möchte betonen, dass ich meine Arbeit über den ganzen Zeitraum von drei Jahren zur allgemeinen Zufriedenheit erledigt habe. Ich habe immer Wert darauf gelegt, morgens pünktlich zu sein, trotz der endlosen Anfahrt mit S- und U-Bahn beziehungsweise später in meinem ersten Auto, einem Datsun Cherry, und obwohl ich oft die halbe Nacht an der Wand gestanden hatte. Aber statt Gips gab’s Rigips. Ich wurde nämlich mit meinem Lehrmeister auf die Großstadtbaustellen geschickt, wo wir Trockenbau-Rigipswände im Akkord hochziehen mussten. So gingen die Monate ins Land. Mir wurde immer klarer, dass ich als billige Arbeitskraft missbraucht wurde, und wenn ich nach meiner Ausbildung fragte, hieß es: Alles zu seiner Zeit.
    Lehrjahre sind eben doch Herrenjahre.
    Etwas anders ging es in Marienfelde auf dem Lehrbauhof zu. Dort kamen Lehrlinge aus allen Berliner Betrieben zusammen, und in meiner Stuckateurtruppe ging es endlich um Gips und Stuck. Allerdings wiederum nur am Rande, denn die dreißig Jungs in meiner Klasse hatten vor allem Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll im Kopf. Siebzig Prozent kifften. Ich hielt nichts davon und lehnte alle Angebote ab, bis ein Kumpel mir seinen Stoff so warm empfahl, dass ich nicht Nein sagen konnte. Wird schon nicht so schlimm sein, habe ich gedacht. War’s aber.
    Es donnerte mich weg. Ich unterhielt mich mit einem Besen, ich

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