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So fühlt sich Leben an (German Edition)

So fühlt sich Leben an (German Edition)

Titel: So fühlt sich Leben an (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hagen Stoll
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Narren zu halten. Ich wende. » Gib Stoff«, brummt mein Kumpel.
    Und auf dem Weg nach Marzahn tauchen sie hinter uns auf. Blaulicht. Zwei, vielleicht drei Polizeiautos.
    » Variante eins«, sage ich, » wir versuchen sie abzuhängen. Variante zwei: Wir stellen uns.«
    » Abhängen«, entscheidet mein Beifahrer.
    Ich gebe Gas. Was natürlich ein Schuldbekenntnis ist. Was einem Geständnis gleichkommt. Die hauen ab? Dann müssen sie’s gewesen sein…
    Eine Verfolgungsjagd vom Allerfeinsten. Mal bin ich schneller, mal holen sie wieder auf, bei Rot über die Kreuzung– alles wie im Film, auch das Ende: Auf dem Blumenberger Damm kommen uns welche entgegen, Zivilbullen, ich will nicht frontal in sie reinrasen, steige in die Bremsen, die Zivilbullen bringen ihre Autos quer vor uns zum Stehen, klassische Einkesselung, aus und vorbei.
    Ich sitze da. Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Steige ich aus oder nicht? Da wird die Tür aufgerissen, einer zieht mich raus, einer biegt mir den Arm auf den Rücken, einer drückt mich auf die Motorhaube, einer stößt mir seinen Tonfa, ein Schlagstock mit Quergriff, ein paar Mal in die Nieren, damit ich Bescheid weiß, und das reicht dann auch. Wie im Kino: Kleiner Gangster wird verhaftet. Mein Kumpel natürlich ebenso. Und wir noch die Unschuldslämmer gespielt: » Ey, was soll das? Was wollt ihr?« Der letzte, schlechte Witz.
    Weil die Straftat auf dem Gebiet von Brandenburg begangen worden ist, bringen sie uns ins Gefängnis von Bernau in Brandenburg. Meine größte Sorge gilt dem Auto– was machen sie jetzt mit meinem Bertone? Es wird nicht lange dauern, da wird das meine kleinste Sorge sein.
    Im Gefängnis von Bernau herrschten noch die alten Sitten. Das war eine Original-Ost-Kiste, ein alter Backsteinbau, Typ Zuchthaus, mit dem ganzen Mief und dem ganzen Dreck eines vergammelten Knasts, die Fenster mit alten NVA -Decken verhängt. Und ich saß da in meiner Einzelzelle und dachte: Na, super. Wegen solch einem Schwachsinn. Nur weil du dich für den Größten gehalten hast. Den Whiskey und den ganzen Rest hätte ich mir locker leisten können. Das hätte mich nicht gejuckt. In den Taschen meines Phönix-Anzugs steckte bündelweise Geld.
    Natürlich hatten sie bei der Fahndung leichtes Spiel gehabt. Sie brauchten nicht lange zu suchen. Mit einem Exoten wie meinem Bertone fällt man auf. Was die Polizei daran am auffallendsten fand, waren die Kennzeichen. Das waren die gefälschten Nummernschilder von den Russen in Hohenschönhausen, mit denen allerhand Straftaten begangen worden waren. Bei den Verhören merkte ich schnell, dass es gar nicht um den Tankstellenraub ging. Die glaubten, sie hätten mit uns zwei Schlüsselfiguren dieses Fälscherrings geschnappt. Wer stellt die getürkten Kennzeichen her? Wer bringt sie in Umlauf?
    Um das herauszufinden, war ihnen jedes Mittel recht. Good cop– bad cop. Telefonbuch auf den Bauch legen und draufhauen. Am Anfang habe ich das noch belächelt– was wollen die, die können uns nichts nachweisen. Das mit den Russen im Asylbewerberheim nahmen sie mir aber nicht ab. » Ihr Kumpel hat was ganz anderes erzählt.« Aha, das ganze Psychoprogramm. Einen gegen den anderen ausspielen. Und als sie es leid waren, haben sie mir das Essen gestrichen. Eine Woche lang gab’s nichts als ein Glas Wasser täglich, im Plastikbecher.
    Ich hatte Hunger, und die Verhöre gingen weiter. Good cop– bad cop. Dann wurde mir sogar der Gang zum Klo verwehrt. Ich bekam einen Alu-Eimer in die Zelle gestellt. Ich habe keine Ahnung, wie lange das so ging. Ich verdränge diese Zeit. Zwei, drei Monate vielleicht. Das Einzige, woran ich mich erinnere, ist, dass ich in dieser Zelle, in dieser Einsamkeit stundenlang auf die Wand gestarrt und geheult habe. Am Ende war ich gebrochen und habe dem guten Bullen das eine oder andere erzählt. Als die Woche ohne was zu essen abgelaufen war, gab’s eine Bockwurst ohne Senf. Es war die beste Bockwurst meines Lebens.
    Wir wurden entlassen. Wahrscheinlich hatten sie von uns alle gewünschten Informationen erhalten. Ich weiß noch, dass ich als Erstes mit meinem Kumpel in Buch ein Eisbein essen gegangen bin. Und dass ich im Arsch war.
    Eine elende Zeit. Andererseits war ich den Bullen extrem dankbar. Leute, die gesessen hatten, erzählen bisweilen, dass es zwei Arten von Menschen gibt. Einmal die, bei denen sich im Knast ein Schalter umlegt; die sind ein für allemal kuriert. Und dann die, bei denen sich nüscht umlegt, die nur

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