So fühlt sich Leben an (German Edition)
einen Plan.«
Wenn Waffel einen Plan hatte, musste man sich auf einiges gefasst machen, und diesmal war es wirklich ein mächtig gewaltiger Plan, nämlich eine Jazz-Soul-Funk-Rap-Combo für Life-Auftritte. Ich traf mich mit den Musikern, die Waffel dafür ausersehen hatte; wir waren sofort auf einer Wellenlänge und jammten los, bis tief in die Nacht. Es war fantastisch.
Leadsänger und Gitarrist war Chino Lima, ein verrückter Brasilianer um die fünfunddreißig, ein Vollblutmusiker mit Funk und Salsa im Blut. An den Drums gab Olaf sein Bestes, Mark spielte das Fender Rhodes, Daniel den Bass, Waffel und ich rappten. Später kam Joy Denalane dazu, die Chino beim Gesang unterstützte, eine Wahnsinnsfrau mit einer ehrfurchtgebietenden Stimme. Ihr lag der Soul mehr als alles andere, sodass wir für jede Stilrichtung einen echten Profi hatten. Das Ganze nannte sich Family Affair und machte in kürzester Zeit von sich reden. Wir zogen von einer Berliner Szenekneipe in die andere, spielten in der Junction Bar, spielten im Quasimodo, lieferten überall perfekte Stimmungsmucke ab und hatten damit solchen Erfolg, dass Sven Meisel eines Tages zu mir sagte: » Ein spannendes Projekt. Da müssen wir was draus machen. Nehmt doch mal ein Album auf. Hier, bei mir.«
Sven gab mir die Termine durch, und ich machte mich mit dem Toningenieur in den heiligen Hallen des Hansa an die Vorproduktion, war fast besinnungslos vor Glück und wähnte mich auf dem Rap-Olymp beziehungsweise dem Jazz-Soul-Funk-Olymp, denn wie hatte Sven gesagt? Wenn du bei mir arbeitest, gehörst du zu den großen Nummern– und » große Nummer«, das war für den Ex-Tischtennis-, Ex-Sprüher- und Ex-Gangsterprofi Hagen Stoll genau das Richtige. Kurz gesagt: Was ich da gerade machte, das fühlte sich verdammt gut an. Ich war endlich am Ball, ich vibrierte vor Energie, ich klotzte nur so rein, bloß dass ich mich verschätzt hatte. Die Einzigen, die bei der Arbeit an unserem Album hundertprozentig bei der Sache waren, hießen Waffel und Hagen Stoll. Die anderen erschienen erst gar nicht zu den Aufnahmen oder konnten sich nicht einigen– der Erste war mit diesem, der Zweite mit jenem unzufrieden, der Nächste wollte die Baseline anders haben, der Vierte störte sich an den Drums, und am Ende zerschlug sich das ganze schöne Projekt, weil wohl jeder seinen eigenen Kram wichtiger fand als unser Family-Affair-Album. Wie gesagt, Mannschaftssportarten sind nichts für mich. Ich weiß, warum.
Doch dann zog, ein Jahr nach meinem Sturz aus dem Ganovenhimmel, der größte und schönste Tag meiner dreiundzwanzig Erdenjahre herauf.
Ich war wieder mal im Hansa, als Sven Meisel auf mich zukam und sagte: » Pass auf, Hagen. Mir gehört das ganze Haus, wir haben genug Platz hier, und wenn du willst, stelle ich dir einen Raum zur Verfügung. Komm zu uns, produziere deine Sachen hier, das ist effektiver.«
Das habe ich mir nicht zweimal sagen lassen, und von nun an hatte ich einen Beruf. Und eine Firma. Und regelmäßige Einnahmen. Und einen sensationellen Kollegenkreis. Produzenten wie Jack White, Walter Färber und Peter Wagner liefen einem über den Weg, mit Reinhard Mey und Udo Jürgens wechselte man in der Kaffeepause ein paar Worte, und ich war Bestandteil dieses schillernden Universums. Also nichts wie einen Schreibtisch gekauft, ein Riesenpult für mein Equipment bauen lassen und eine Gesangskabine gebaut. Morgens um acht habe ich angefangen, nie vor zwanzig Uhr die Studiotür hinter mir zugezogen, jeden Tag produziert, meine eigenen Sachen gemacht, für andere Leute geschrieben– und immer, wenn ich Fragen hatte, konnte ich damit zu Alexander Wende gehen und sagen: » Alex, kannst du mir kurz erklären, wie man das und das macht?«
Im Grunde habe ich im Hansa meine Sprüher-Lehrjahre an der S-Bahn-Linie7 wiederholt und mich noch einmal mit demselben Eifer zwischen Ahrensfelde und Alexanderplatz hoch- und runtergearbeitet, nur jetzt als Rapper. Ich habe mir zum Beispiel Datenbanken angelegt und Zip-Laufwerke katalogisiert. Heutzutage gehst du in den Laden und kaufst dir ein Programm mit diversen Drum-Kits, aber wenn ich damals Basedrum, Snaredrum, Hi-Hats, Toms oder Becken brauchte, musste ich mir die entsprechenden Sound-Vorräte selbst zusammenstricken.
» Alex«, habe ich gesagt, » ich brauche ein paar Trommeltöne.«
Und Alex hat in den Terminkalender geschaut und gesagt: » Übermorgen haben wir einen Drummer hier, den ich recht gut kenne. Wenn ich ihn
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