So fühlt sich Leben an (German Edition)
ihm knallrot. Damals fuhr er einen knallroten Porsche Carrera. Na schön. Wenn er sich das einmal in den Kopf gesetzt hatte… Aber eine knallrote S-Klasse? » Reinhard, eine niegelnagelneue S-Klasse sieht rot lackiert wie ein Feuerwehrauto aus.« Aber er bestand darauf. Was anderes als rote Autos würde er nicht fahren.
Wie befürchtet war es ein Schock, als er zum ersten Mal damit auf den Hof gefahren kam. Ein Ding der Unmöglichkeit. Abgrundtief hässlich. » Reinhard«, sage ich, » du wirst von mir nicht hören, dass ich das schön finde.« Andererseits hat es mir aber auch Respekt abgenötigt, dass er’s trotzdem gemacht hat, ohne Rücksicht auf die Verletzungen, die andere Leute dadurch an ihrem Schönheitssinn erlitten. Bis zum Ende der Produktion stand diese Lachnummer von einem Mercedes jedenfalls mit meinem Bertone auf demselben Parkplatz. (Ja, ich fuhr ihn immer noch. Die Polizei hatte ihn sichergestellt und wieder rausgerückt, und ich hing nun mal an ihm.)
Autotechnisch war ich schon eher mit Udo Jürgens auf einer Wellenlänge. Der kam eines Tages in einem neuen Mercedes SL vorgefahren und komplimentierte jeden, den er im Hansa antraf, hinunter auf den Parkplatz, um ihm seine Massagesitze vorzuführen. In den Sitzen befanden sich Rollen, die dir während der Fahrt den Rücken massierten, und das war wirklich ein Erlebnis.
Es war wichtig für mich, solche Leute kennenzulernen. Leute, die sich ihre Träume bewahrt hatten, die ihre Seele nicht, wie viele andere, in die Sklaverei des Musikgeschäfts verkauft hatten. Auch Peter, ein Produzent, gehörte dazu, der die lustige Angewohnheit hatte, mich jeden Morgen aufs Neue zu fragen: » Hagen, hast du alles? Brauchst du irgendwas?« » Nein, Peter, ist alles gut«, habe ich dann geantwortet, » mir fehlt’s an nichts«– dabei fehlte es mir an fast allem… Diesen Leuten gönnte ich ihren Erfolg jedenfalls von ganzem Herzen.
Damals habe ich tiefe Einblicke in die Musikindustrie erhalten. Und: Ich habe gelernt, mit all ihren Verrücktheiten auszukommen.
Mitten in diesen Taumel aus Glücks- und Erschöpfungszuständen platzte ein Brief der Bundeswehr.
Reservistenübung.
Wie bitte?
Sollte das jetzt weitergehen?
Ich hatte mich ja nicht mal vereidigen lassen. Als es so weit war, wurden wir aufgefordert mitzumachen, also Einmarschieren, Antreten, Aufstellen zu üben, aber ich hatte dem zuständigen Feldwebel verklickert: » Ich werde mich nicht vereidigen lassen. Ich werde mich auch nicht vom Jäger zum Gefreiten befördern lassen. Ich gucke mir das meinetwegen gern im Fernsehen an, aber ich möchte nun mal lieber Jäger bleiben.« Das ließ sich machen. Wurden wir eben nicht vereidigt. Am letzten Tag meiner Wehrzeit bin ich nach Kladow gefahren, habe meine Klamotten abgegeben, meinen Ausweis zurückbekommen und mir die Abschiedsworte unseres Kommandeurs angehört. » Ganz großes Kino«, hat er gesagt, und damit war’s für mich auch gut. Und jetzt sollte die Sache ein Nachspiel haben?
Hatte sie. Und zwar ein vollkommen irrsinniges. Die hatten sich nämlich was dabei gedacht. Die wussten nicht, wen sie sonst nehmen sollten. Für diesen Job kamen nur wir infrage, die Verrückten aus dem Querschlägerzug. Wir treffen also in Kladow ein, ungeheuer mies gelaunt, alles andere als kooperativ, und erfahren: » Heute geht’s los. Da steht der Bus.« Ich habe weder Zahnbürste noch Unterwäsche zum Wechseln dabei, sitze aber eine Stunde später mit Neumann, Mewis, Gronke und Co. tatsächlich in diesem Bus und fahre Richtung Süden. Stundenlang.
In Hammelburg steigen wir aus. Hammelburg in Franken. Und wir, immer noch ungeheuer mies gelaunt, immer noch alles andere als kooperativ, sehen den Kommandeur fragend an. » Ihr seid prädestiniert für diesen Job«, sagt er. » Ihr seid unsere Männer.«
Wow.
Nur– als wir erfuhren, worum es ging, mussten wir ihm recht geben. Und jetzt kommt’s.
In Hammelburg wurde in diesen Tagen das deutsche Kontingent der KFOR für den Einsatz im Kosovokrieg ausgebildet, und dafür brauchten sie Rebellen. Guerillakämpfer. Finsterlinge. Feinde. Das Ganze möglichst realistisch. Kriegsidentische Situationen. Und dafür waren wir zuständig, für das Kriegsidentische. Die alte Querschlägermannschaft aus Kladow. Ein guter Griff. Wir waren ja alle Stiere. Noch der schmalste von uns war ein Brocken– Neumann zum Beispiel absolvierte sein Fitnesstraining mit zwanzig Meter langen Eisenbahnschienen. Mithin genau die richtige
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