So gut wie tot
sein.«
Im Umschlag lagen zwei Pässe, darunter ein australischer. Das Foto zeigte sie, doch sie erkannte sich kaum. Ihr Haar war dunkelbraun, kurz geschnitten, und sie trug eine Brille. Der Name lautete Margaret Nelson.
»Darin ist ein Visum für Australien. Es gilt fünf Jahre.«
»Margaret ?«, fragte sie. »Wieso ausgerechnet Margaret?«
»Dann eben Maggie!«
Sie schüttelte den Kopf. »Muss ich Margaret – Maggie sein?«
»Ja.«
»Für wie lange?«
»Für immer.«
»Na super. Darf ich mir nicht mal meinen Namen aussuchen?«
»Das hast du bei deiner Geburt doch auch nicht getan, dumme Kuh!«
Voller Argwohn sprach sie den Namen laut vor sich hin.
»Nelson ist ein guter Name. Er hat Klasse!«
Sie nahm einen zweiten Ausweis aus dem Umschlag. »Und was ist das?«
»Für die Ausreise aus England.«
Darin war ebenfalls ein Foto von ihr, auf dem sie graue Haare hatte und zwanzig Jahre älter aussah. Diesmal lautete der Name Anita Marsh.
Sie schaute ihn verblüfft an.
»Ich habe es mir gut überlegt. Es ist der beste Weg, um zu verschwinden. Menschen, vor allem Männer, erinnern sich an attraktive Frauen. Alte Damen hingegen sind so gut wie unsichtbar. Wenn es so weit ist, buchst du zwei Fahrkarten für die Fähre Newhaven-Dieppe, und zwar für die Nachtüberfahrt. Eine auf deinen Namen, eine für Anita Marsh. Und du wirst auf ihren Namen eine Kabine buchen, verstanden?«
»Soll ich mir das aufschreiben?«
»Nein, du musst es dir merken. Ich melde mich bei dir, wenn es so weit ist. Vorher werde ich alles noch ganz oft mit dir durchgehen. Du wirst einen Abschiedsbrief verfassen – du kannst das Leben ohne mich nicht ertragen, du bist unglücklich, weil du wieder auf dem Flughafen arbeiten musst, das Leben ist Scheiße und so weiter. Der Arzt kann bestätigen, dass du Antidepressiva genommen hast, das wirkt überzeugend.«
»Was das angeht, muss ich nicht mal üben.«
»Du gehst als Lorraine Wilson auf die Fähre. Mach dich so schön du kannst und sorge dafür, dass möglichst viele Leute dich sehen. Du bringst deine Tasche mit Kleidung zum Wechseln in die Kabine, die du auf den Namen Anita Marsh gebucht hast. Dann gehst du in die Bar und gibst dich traurig, trinkst eine Menge und redest mit keinem. Die Überfahrt dauert viereinviertel Stunden, dafür bleibt also genügend Zeit. Wenn ihr mitten auf dem Kanal seid, verlässt du die Bar und sagst dem Barkeeper, dass du auf Deck gehst. Stattdessen begibst du dich in die Kabine und verwandelst dich mit einer Perücke und Omakleidern in Anita Marsh. Dann nimmst du deine Kleidung, deinen Pass und dein Handy und wirfst alles über Bord.«
Lorraine starrte ihn fassungslos an.
»In Dieppe nimmst du einen Zug nach Paris, zerreißt den Pass von Anita Marsh und buchst als Margaret Nelson ein Flugticket nach Melbourne. Dort warte ich auf dich.«
»Du hast wirklich an alles gedacht.«
Er war sich nicht sicher, ob sie sich freute oder wütend war.
»Na ja, so viel hatte ich in letzter Zeit ja nicht zu tun.«
»Versprich mir eins. Du willst doch nicht das ganze Geld wieder in irgendeine Firma stecken, oder?«
»Nie im Leben. Ich habe meine Lektion gelernt, Baby. Das Problem ist, dass man in eine Abwärtsspirale gerät, sobald man Schulden hat. Jetzt, wo wir frei sind, können wir ganz von vorn anfangen. Erst in Australien und dann vielleicht irgendwo anders, wo immer die Sonne scheint. Das klingt doch toll! Wir können das Geld sogar irgendwann auf der Bank deponieren und von den Zinsen leben.«
Sie schaute Ronnie misstrauisch an.
Er deutete auf den Umschlag. »Da ist noch etwas anderes für dich drin.«
Sie nahm eine schmale Zellophantüte heraus, in der einige Briefmarken lagen.
»Damit du über die Runden kommst. Für deine Auslagen. Und gönne dir etwas Gutes. Die Somerset House One Pound von 1911 ist etwa fünfzehnhundert Mäuse wert. Dazu eine 1881 One Penny, für die du etwa fünfhundert bekommen dürftest. Insgesamt sind sie etwa fünftausend wert. Geh damit zu dem Typen, den ich kenne, er macht dir den besten Preis. Und wenn das große Geld hereinkommt, soll er es in Briefmarken investieren. Er ist ehrlich und zuverlässig.«
»Und hat keine Ahnung?«
»Mein Gott, nein.« Ronnie riss ein Stück von der Rückseite einer Zeitschrift, die auf dem Küchentisch lag, und notierte den Namen Hugo Hegarty samt Telefonnummer und Adresse. »Ich war ein guter Kunde, er dürfte traurig sein, wenn er von meinem Schicksal erfährt.«
»Wir haben in den
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