So gut wie tot
solle warten, und verschwand im Haus. Nach einer Weile tauchte ein etwa Fünfzigjähriger mit rasiertem Kopf auf. Ein Hüne in weißem, kragenlosem Hemd, schwarzer Hose mit Hosenträgern und Turnschuhen. Er schaute Ronnie an, als wäre dieser ein widerliches Insekt.
»Zimmer?«, fragte er mit kehliger Stimme.
»Boris«, sagte Ronnie, dem der Name seines neuen besten Freundes endlich eingefallen war. »Er hat mich hergeschickt.«
»Wie lange?«
Ronnie zuckte die Achseln. »Für ein paar Tage.«
Der Mann taxierte ihn. Vielleicht überlegte er, ob er es mit einem Terroristen zu tun hatte.
»Dreißig Dollar die Nacht. Okay?«
»Prima. Schlimmer Tag heute.«
»Ganz schlimm. Schlimmster von allen. Ganze Welt verrückt. Von zwölf bis zwölf. Okay? Verstanden. Immer im Voraus. Bleiben Nachmittag, zahlen noch einen Tag.«
»Verstanden.«
»Bar?«
»Kein Problem.«
Das Haus war größer als erwartet. Ronnie folgte dem Mann durch den Flur, dessen nikotingelbe Wände mit billigen gerahmten Drucken kahler Landschaften geschmückt waren. Der Mann verschwand kurz in einem Zimmer und tauchte mit einem Schlüssel am hölzernen Anhänger wieder auf. Dann schloss er die Tür gegenüber auf.
Das kleine Zimmer stank nach Zigarettenrauch. Das Fensterchen gab den Blick auf die Mauer des Nachbarhauses frei. Im Zimmer stand ein schmales Doppelbett mit rosa Tagesdecke, die voller Flecken und Brandlöcher war. In einer Ecke befand sich ein Waschbecken, daneben eine enge Dusche mit rissigem, gelbem Plastikvorhang. Ein mitgenommener Sessel, eine Kommode, ein billiger Holztisch, ein alter Fernseher mit antiquierter Fernbedienung und ein Teppich, der die Farbe von Erbsensuppe hatte, vervollständigten die Einrichtung.
»Perfekt«, sagte Ronnie. Was in dieser Situation durchaus der Wahrheit entsprach.
Der Mann verschränkte die Arme und sah ihn erwartungsvoll an. Ronnie zückte die Brieftasche und bezahlte für drei Tage im Voraus. Er bekam den Schlüssel, dann war der Mann verschwunden.
Ronnie prüfte das Zimmer. In der Dusche lag ein gebrauchtes Stück Seife, an dem etwas klebte, das verdächtig nach braunem Schamhaar aussah. Der Fernsehempfang war bescheiden. Er schloss die Vorhänge, schaltete alle Lampen ein und setzte sich auf das Bett, das mit einem Knarren nachgab.
Dann lächelte er.
Für ein paar Tage war es auszuhalten.
Verdammt, das war der erste Tag seines neuen Lebens!
Er hob die Aktentasche vom Koffer und nahm die Unterlagen heraus, die er in wochenlanger Arbeit für Donald Hatcook vorbereitet hatte. Darunter lag eine durchsichtige Plastikmappe mit Druck knöpf, die eine rote Mappe enthielt, die er nicht im Hotelsafe hatte lassen wollen. Er öffnete sie.
Ein Leuchten ging über sein Gesicht. »Hallo, meine Schönen«, sagte Ronnie.
49
OKTOBER 2007 »Was hast du eigentlich gegen Guinness?«, fragte Glenn Branson.
»Wer sagt, dass ich etwas dagegen habe?«
Roy Grace stellte Glenns Pintglas und seinen eigenen großen Glenfiddich on the rocks auf den Tisch, legte zwei Päckchen Chips mit Bacon-Geschmack daneben und setzte sich zu seinem Freund. Es war Montagabend um acht und der Black Lion so gut wie verlassen. Dennoch hatten sie sich in die äußerste Ecke gesetzt, damit niemand sie hören konnte. Die Musik übertönte ihre Stimmen und verschaffte ihnen eine gewisse Privatsphäre.
»Du guckst mich immer so komisch an, wenn ich Guinness bestelle«, sagte Branson. »Als wäre es das falsche Getränk.«
Und deine Frau macht einen selbstsicheren Mann zum Paranoiker, dachte Grace, sagte aber nur: »Dem Manne, der Furcht empfindet, raschelt alles.«
Branson runzelte die Stirn. »Wer hat das nun wieder gesagt?«
»Sophokles.«
»In welchem Film?«
Grace schüttelte grinsend den Kopf. »Mein Gott, bist du ein Ignorant! Kennst du überhaupt irgendetwas, das nicht in einem Film vorkommt?«
»Danke, Einstein. Nachtreten ist wohl deine Spezialität.«
Grace hob sein Glas. »Kopf hoch.«
Branson hob seines ebenfalls und stieß mit wenig Begeisterung an.
Beide tranken, dann sagte Grace: »Sophokles war ein Dichter.«
»Tot?«
»Seit 406 v. Chr.«
»Also vor meiner Zeit, Oldtimer. Du warst wohl bei der Beerdigung.«
»Sehr witzig.«
»Als ich bei dir war, lagen überall diese Philosophieschwarten herum.«
Grace trank noch einen Schluck Whisky und lächelte. »Was dagegen, wenn jemand versucht, sich weiterzubilden?«
»Um mit seiner Freundin Schritt zu halten, meinst du?«
Grace wurde rot. Natürlich hatte
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