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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Namen. Ich selbst will gar nichts, okay?«
    »Das ist sehr nett von dir.«
    Der Russe hob sein Glas. »Carpe diem?«
    »Carpe diem«, erwiderte Ronnie.
    An den Rest des Nachmittags konnte er sich später nicht erinnern.
    69
    OKTOBER 2007 Wie betäubt schaute Abby aus dem Fenster des gemieteten grauen Ford Focus. Sie hatte nicht geglaubt, dass dieser Albtraum noch schlimmer werden könnte, doch Ricky hatte sie eines Besseren belehrt.
    Über ihnen spannte sich der strahlend blaue Himmel, als sie auf der A27 Brighton passierten, rechts den Ort Patcham liegen ließen, links offenes, welliges Grünland. Dort lag die Freiheit, dachte sie, noch immer eine Gefangene, obwohl Ricky ihr die Fesseln abgenommen hatte. Sie trug Jeans, Pullover, eine Fleecejacke und Turnschuhe. Das Gras war nach den heftigen Regenfällen der letzten Zeit üppig grün. Wenn sie sich das Summen der Heizung wegdachte, hätte es Sommer sein können. Doch in ihrem Herzen herrschte tiefster Winter.
    Um an die Aufnahme zu gelangen, musste Ricky das Telefon ihrer Mutter angezapft haben.
    Er fuhr in wütendem Schweigen dahin und hielt sich peinlich genau an das Tempolimit. Bloß nicht angehalten werden. Sein Zorn schwelte seit zwei langen Monaten. Gleich kam der Zubringer. Er setzte den Blinker. Er war heute Morgen schon einmal hier gewesen, kannte den Weg. Abby lauschte auf das Ticken, sah den grünen Zeiger am Armaturenbrett blinken.
    Nun, da sie Wasser getrunken und ein Stück Brot und eine Banane gegessen hatte, fühlte sie sich wieder halbwegs menschlich. Sie konnte klarer denken, obwohl sie krank vor Sorge um ihre Mutter war – und um sich selbst. Wie hatte Ricky ihre Mutter nur gefunden? Vermutlich so, wie er auch sie gefunden hatte. Sie zermarterte sich das Hirn, ob sie in Melbourne irgendeinen Hinweis hinterlassen hatte. Wie zum Teufel war er an ihre Adresse gekommen? Andererseits war das wohl nicht so schwer. Er kannte ihren Nachnamen, und sie hatte vermutlich irgendwann erwähnt, dass ihre verwitwete Mutter in Eastbourne lebte. Wie viele Dawsons mochte es im dortigen Telefonbuch geben? Sicher nicht allzu viele. Und Ricky war zu allem entschlossen.
    Ihre Fragen hatte er nicht beantwortet.
    Abbys Mutter war eine hilflose Frau, nahezu verkrüppelt von Multipler Sklerose, sie konnte sich kaum noch bewegen. Sie beharrte zwar auf ihrer Unabhängigkeit, doch es fehlte ihr an körperlicher Kraft. Ein Kind hätte sie überwältigen können, wodurch sie natürlich angreifbar wurde. Bisher hatte sie sich geweigert, einen Notrufmelder bei sich zu tragen. Abby wusste, dass gelegentlich eine Nachbarin bei ihr vorbeischaute und dass sie samstags abends mit einer Freundin zum Bingo ging. Ansonsten war sie auf sich allein gestellt.
    Jetzt wusste Ricky, wo wie wohnte, und da sie seine sadistische Ader kannte, ängstigte sie diese Tatsache mehr als alles andere. Abby hatte das Gefühl, dass es ihm nicht reichen würde, alles zurückzubekommen; er wollte ihr wehtun und ihrer Mutter auch. In Australien hatte sie ihm viel anvertraut, um sein Vertrauen zu gewinnen. Daher wusste er auch, wie sehr sie an ihrer Mutter hing und dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie ans andere Ende der Welt gezogen war, als Mary Dawson ihre Tochter am meisten brauchte. Er würde es richtig genießen, ihre Mutter zu quälen, um Abby unter Druck zu setzen.
    Sie näherten sich einem kleinen Kreisverkehr. Ricky nahm die zweite Abzweigung, die Straße führte bergab. Rechts konnte man weit über die Felder und Wohnsiedlungen blicken. Links lag ein Gewerbegebiet mit Supermärkten, Fabrikgebäuden und Lagerhäusern, die man in Büros umgewandelt hatte. Darunter befand sich auch die Zentrale der Kripo, was Abby allerdings nicht wusste. Es hätte ihr auch nichts genützt, da sie erstens gefangen gehalten wurde und zweitens eine Diebin war, die die Polizei schlecht um Hilfe bitten konnte. Was immer Ricky getan haben mochte, sie war und blieb eine Diebin. Sie hatte ihm etwas Wertvolles gestohlen, und dass man einen Kriminellen bestahl, entschuldigte gar nichts.
    Wenn sie einander verrieten, würden sie alles verlieren. Es war eine Art Stellungskrieg. Abby wusste allerdings auch, dass Ricky sie nicht weiterleben lassen würde, wenn er erst seinen Besitz zurückbekommen hätte. Im Gegenteil, vieles sprach dafür, dass es besser war, sie für immer zum Schweigen zu bringen.
    Ein großes Gebäude mit der Aufschrift British Bookshops tauchte auf, dann der Sitz vom Argus und ein

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