So habe ich es mir nicht vorgestellt
beruhigend. »Mama hat auf dem Parkplatz nicht aufgepaßt und ist in jemanden reingefahren. Es ist nichts passiert.« Von hinten legte er Jo’ela die Hand auf die Schulter. Zu spät. Immer erst dann, wenn sie schon nachgegeben hatte. Ratlos und schweigend stand sie da, und Zorn stieg in ihr auf, daß er ihr in die Küche gefolgt war, nur um sie zu besänftigen. Nicht weil er wirklich wollte. Nicht weil etwas, was ihr passierte, ihn wirklich berührte. Sondern aus Nachgiebigkeit, um die angenehme Ruhe wiederzubekommen, die im Zimmer geherrscht hatte.
Ja’ara ließ die Kühlschranktür los, die sich langsam schloß, und trat zu ihnen. Die Verwirrung machte ihr Gesicht weicher. »Hast du dir weh getan? Ist etwas passiert?« Sie umarmte Jo’ela. Ihre Schultern berührten einander.
Sie hob das Gesicht aus dem Wust von Ja’aras Haaren. »Hoffentlich werde ich heute nacht nicht gerufen.«
»Morgen, bevor ich gehe, kümmere ich mich darum, daß das Auto abgeschleppt wird, vielleicht hole ich es sogar selbst«, beruhigte Arnon.
»Das lohnt sich nicht. Beim letzten Mal, als du zum Reservedienst zu spät gekommen bist, haben sie doch einen richtigen Aufstand gemacht.«
In dem Raum zwischen dem Tisch und dem Kühlschrank, zwischen dem Kühlschrank und der Spüle, zwischen der Spüle und dem Fenster schrumpfte die erstickende Wolke. Wenn sie auf Ja’ir hörte, der sich gegen ihr Bein drückte, würde auch das letzte Restchen verschwinden, als hätte jemand mit der Nadel hineingestochen, und die Reste würden sich in der Welt zerstreuen. Ja’aras Haare dufteten nach Kräutern. Aus Ja’irs Haaren kam der Geruch nach Staub und Kakao.
»Was wolltest du mit meiner Taschenlampe?« fragte sie.
»Das Ei von der Schlange suchen.«
»Hast du ein Schlangenei gefunden?«
»Ein gelbes.« Er rundete die Finger und zeigte ihr einen kleinen Kreis. »So klein, und ich habe es auf den Rasen gelegt, und dann habe ich es nicht mehr gefunden.«
»Bist du sicher, daß es ein Schlangenei ist?«
Er nickte heftig, mit besorgtem Blick.
Sie fragte, ohne zu lächeln: »Du machst dir Sorgen?«
Er nickte nachdrücklich und biß sich mit seinen beiden noch nicht herausgefallenen Milchzähnen auf die Unterlippe, damit sie nicht zitterte.
»Was macht dir Sorgen? Glaubst du, daß die Schlange schon aus dem Ei gekrochen ist?«
Sein Kopf zitterte auf dem dünnen Hals, als er mit aller Kraft nickte.
»Erzählst du mir noch mal, wie es ausgesehen hat, dieses Ei?« Sie nahm ihm die Brille ab, wischte die Plastikgläser – gegen jede Vorschrift – sorgfältig mit einem rauhen Küchenhandtuch ab und setzte sie ihm erst wieder auf, nachdem sie die Gläser gegen das Licht gehalten und kontrolliert hatte, ob sie sauber waren.
Ja’ir krümmte seine Hand und malte mit dem Finger ein kleines Hügelchen hinein. »So klein«, sagte er. Auf dem Gesicht Arnons, der am Spülbecken stand und seine Militärschuhe putzte, erschien ein Lächeln. »Und gelb.«
»Weißt du, was ich glaube?« sagte sie in nachdenklichem Ton. »Ich glaube, das war gar kein Schlangenei.« Er betrachtete sie zweifelnd und enttäuscht. »Ich glaube«, fuhr sie fort, obwohl sie wußte, daß sie ihn nicht überzeugen konnte, »daß das vielleicht das Ei von einem seltenen Vogel war oder von einem anderen kleinen Tier, das im Gras lebt.«
»Von einem Skorpion?«
»Nein«, entschied sie mit Sicherheit, »Skorpione legen überhaupt keine Eier, sie bringen kleine Skorpione auf die Welt.«
»Das stimmt nicht«, protestierte Ja’ir. »Sie legen Eier!«
Arnon senkte den Kopf und polierte hingegeben seine Schuhe. Sie schaute ihn an, und er bestätigte durch das Senken der Lider, daß der Junge recht hatte.
»Skorpione legen Eier?« fragte sie Ja’ir, der stolz und sehr sicher nickte.
»Gut, dann habe ich mich vielleicht geirrt.« Sie wiegte zweifelnd den Kopf. »Vielleicht war’s dann ein glattes Steinchen oder ein kleiner Ball.«
Das Telefon klingelte, die Küchentür wurde zugeworfen, Ja’ara war hinausgerannt.
Ja’ir senkte den Kopf. Alles, was gesagt worden war, nützte nichts. »Du glaubst noch immer, daß es ein Schlangenei war«, seufzte sie.
»Ich bin sicher«, erklärte er mit strahlenden Augen.
»Du machst dir große Sorgen.«
»Ja.«
»Du machst dir überhaupt immer Sorgen, nicht wahr?«
Er nickte, ohne zu lächeln. Seine Haare waren zu lang. Helle Strähnen bedeckten die Stirn und fielen ihm in die Augen. An seinen nackten Füßen klebte brauner Staub, und
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