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So hell wie der Mond

So hell wie der Mond

Titel: So hell wie der Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Dollar von Kundenkonten abgebucht. Fünfundsiebzigtausend Dollar, für die es keine Belege gibt, wurden per Computer in bar von Ihren Kundenkonten abgebucht.«
    »Von meinen Kundenkonten?« Sie wurde kreidebleich.
    »Es ist immer dasselbe«, mischte sich jetzt Calvin Meyers ein, wobei er nervös an seiner leuchtendroten Fliege zupfte. »Immer gibt es zwei Kopien des 1040er-Formulars, immer werden minimale Veränderungen vorgenommen, wobei die Differenz zwischen den Beträgen von zwölfhundert bis dreitausendeinhundert Dollar reicht.« Er blähte seine Backen auf. »Vielleicht wäre uns die Sache niemals aufgefallen, aber zufällig spielen Sid Sun und ich regelmäßig miteinander Golf. Er jammert ständig wegen der Steuern und hat mir in den Ohren gelegen, mir seine Steuererklärung noch einmal anzusehen, ob sich nicht irgendwo doch etwas verringern läßt.«
    Veruntreuung. Beschuldigte man sie der Veruntreuung? Dies konnte nur ein grauenhafter Alptraum sein. Sie wussten, was für ein Mensch ihr Vater gewesen war, und dachten … nein, nein, das traf bestimmt nicht zu. Trotz aller Nervosität blieb ihre Stimme ruhig.
    »Sie haben eine meiner Akten überprüft?«
    Calvin zog eine Braue hoch. Das letzte, was er von der stets besonnenen Kate Powell erwartet hätte, war eine derart panische Reaktion. »Ich habe es getan, um endlich meine Ruhe zu kriegen; aber dann fielen mir einige kleine Fehler auf, und ich dachte, es wäre das beste, mir das Ganze mal genauer anzusehen, so dass ich mir auch unsere Kopie seiner letzten Steuererklärung kommen ließ.«
    Sie saß da wie erstarrt. Selbst ihre Fingerspitzen waren inzwischen vollkommen taub. »Sie glauben, ich hätte meinem Klienten, dieser Firma, fünfundsiebzigtausend Dollar geraubt.«
    »Kate, vielleicht könnten Sie uns sagen, wie es Ihrer Meinung nach zu diesen Differenzen gekommen ist«, setzte Marty an. »Vielleicht gibt es ja eine einleuchtende Erklärung dafür.«
    Nein, ihr Vater hatte Kunden bestohlen. Ihr Vater. Nicht sie. »Wie können Sie so etwas von mir denken?« Ihre Stimme zitterte.
    »Wir denken noch gar nichts«, ergriff Amanda das Wort. »Aber die Fakten, die Zahlen, sprechen einfach gegen Sie.«
    Die Fakten, die Zahlen, sprachen gegen sie, dachte sie, während das Papier vor ihren Augen mit Visionen zwanzig Jahre alter Zeitungsartikel verschwamm. »Nein, ich …« Sie musste sich die Augen reiben, damit sie wieder sah. »Das kann nicht sein. Ich habe nichts gemacht.«
    Amanda trommelte mit einem scharlachroten Fingernagel auf die Tischplatte. Sie hatte Empörung erwartet, die Empörung eines Menschen, den man zu Unrecht eines Verbrechens verdächtigte. Statt dessen nahm sie schuldbewusstes Zittern wahr.
    »Wenn Marty sich nicht vehement für Sie eingesetzt hätte, wenn er nicht darauf bestanden hätte, dass es eine rationale Erklärung für das alles geben muss, dass Sie gegebenenfalls vielleicht einfach unfähig sind – dann hätten wir Sie bereits vor Tagen einbestellt.«
    »Amanda«, mahnte Bittie leise, aber sie schüttelte den Kopf.
    »Larry, hier geht es um Veruntreuung, und abgesehen von den rechtlichen Konsequenzen geht es darum, dass das Vertrauen der Klienten in unsere Firma nicht erschüttert werden darf. Also muss die Angelegenheit so schnell wie möglich geklärt werden.«
    »Ich habe nie auch nur einen Cent von einem meiner Klienten genommen, niemals!« Obgleich sie fürchtete, ihre Beine gäben nach, erhob sich Kate von ihrem Stuhl. Nein, sie würde sich nicht übergeben, dachte sie, obgleich sie würgende Übelkeit empfand. »Das könnte ich niemals …« Mehr brachte sie einfach nicht heraus. »Das könnte ich niemals …«
    Lawrence runzelte die Stirn. »Miss Powell, Geld ist leicht versteckt, gewaschen, ausgegeben. Eine Reihe Ihrer Klienten hat auf Ihren Rat hin Geld in vermeintlich sichere Geschäfte investiert oder aber auf Konten auf den Kaymaninseln oder in der Schweiz sicher deponiert.«
    Fehlinvestitionen. Fehlspekulationen. Sie hob eine Hand an ihre pochende Schläfe und sah die Partner an. Nein, das hatte nicht sie, sondern ihr Vater getan. »Das ist mein Job. Ich habe immer nur meine Arbeit erledigt.«
    »Sie haben vor kurzem einen Laden aufgemacht«, stellte Calvin fest.
    »Es geht um eine dreiundreißigprozentige Beteiligung an einer Secondhand-Boutique.« Trauer und Furcht und Übelkeit führten dazu, dass ihre Hände zitterten. Sie musste Ruhe bewahren, dachte sie. Zittern und Heulen kämen einem Schuldgeständnis gleich.

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