So hell wie der Mond
geträumt, die diese Träume niemals erwiderten. Sie hatte es überlebt. Auf dem College fing ihr erster Freund bereits nach kurzer Zeit an, sich mit ihr zu langweilen, war weitergezogen und ließ sie mit gebrochenem Herzen sitzen. Nach einer Weile war sie aus der Trauer wieder aufgetaucht.
Vor Jahren hatte sie davon geträumt, Seraphinas Mitgift ganz allein zu finden und sie stolz ihrer Tante und ihrem Onkel auszuhändigen. Auch ohne diesen Triumph zu leben hatte sie gelernt.
Aber jetzt hatte sie fürchterliche Angst.
Wie der Vater, so die Tochter. Allmächtiger, käme jetzt alles heraus? Käme es heraus? Sicher würde sie dann von aller Welt verdammt. Und was dächten die Menschen, die sie liebten, die derartige Hoffnungen für sie gehegt hatten?
Wie sagte man doch gleich? Manche Dinge lagen einfach in der Familie. Hatte sie etwas übersehen, irgendeinen lächerlichen Fehler gemacht? Himmel, wie sollte sie klar denken, da nun ihr ganzes bisheriges Leben in Scherben lag?
Zum Schutz vor der ihrem Empfinden nach eisigen Frühlingsbrise schlang sie die Arme um den Leib.
Sie hatte nichts getan, hielt sie sich vor. Nichts Böses. Sie hatte ihren Job verloren, nur einen Job!
Es hatte nichts mit der Vergangenheit zu tun, nichts mit ihrer Familie, nichts mit dem, was von ihrem Vater verbrochen worden war.
Zitternd setzte sie sich auf einen Stein. Wen versuchte sie da hinters Licht zu führen? Irgendwie hingen all diese Dinge zusammen. Außerdem hatte sie viel mehr verloren als einen bloßen Job. Sie hatte verloren, was für sie nach der Familie das Wichtigste gewesen war: ihren Erfolg und ihren guten Ruf.
Jetzt war sie genau das, wovor sie sich immer gefürchtet hatte – eine Versagerin.
Wie sollte sie ihnen allen gegenübertreten, nachdem man sie unter dem Verdacht der Veruntreuung gefeuert hatte? Nachdem sie, im Gegensatz zu dem Rat, den sie stets ihren Klienten erteilte, alles auf eine Karte gesetzt hatte und diese eben kein As oder Joker gewesen war.
Aber sie müsste ihnen gegenübertreten, müsste es ihrer Familie sagen, ehe es jemand anderes tat. Oh, und irgend jemand täte es. Und zwar sehr bald. Es wäre ihr nicht vergönnt, sich ein Loch zu graben und sich darin zu verstecken, bis der erste Schmerz nachließe. Alles, was sie war und tat, verdankte sie den Templetons.
Was dächten ihre Tante und ihr Onkel von ihr? Sicher sähen sie, dass alles wie bei ihrem Vater verlief. Und wenn sie an ihr zweifelten … sie ertrüge alles, alles, außer ihrem Zweifel und ihrer Enttäuschung über sie.
Sie schob sich eine Magentablette in den Mund und wünschte, sie hätte eine Schachtel Aspirin – oder ein paar von den praktischen Beruhigungsmitteln, die Margo früher genommen hatte. Zu denken, dass sie sie deshalb abschätzig betrachtet hatte. Zu denken, dass sie Seraphina für närrisch und feige gehalten hatte, weil sie, statt ihrem Verlust ins Auge zu sehen, lieber von der Klippe gesprungen war.
Kate blickte aufs Meer hinaus und trat dann dichter an den Rand der Felsen. Die Steine unter ihr sahen wirklich gefährlich aus. Das hatte sie immer schon am meisten an den Klippen geliebt – die zerklüfteten, unbarmherzigen Speere, gegen die die beständige Gewalt des Wassers machtlos war.
Jetzt musste sie wie diese Felsen sein, überlegte sie. Sie müsste allem trotzen, was sie erwartete.
Ihr Vater war nicht stark gewesen, hatte dem Schicksal nicht getrotzt, hatte nicht dagegen angekämpft. Und jetzt zahlte sie, auf irgendeinem verschlungenen Weg, den Preis dafür.
Byron beobachtete sie vom Straßenrand aus. Er hatte ihren Wagen vorbeirauschen sehen, als er aus Joshs Haus gekommen war. Es war ihm nicht klar, aus welchem Impuls heraus er ihr gefolgt war oder weshalb er zumindest jetzt nicht einfach weiterfuhr.
Etwas an der Art, wie sie so ganz allein am Rand der Klippen stand, machte ihn nervös und auch ein wenig ärgerlich. Sicher rief ihre abermalige Ausgeliefertheit, die stumme Traurigkeit, seine Beschützerinstinkte wach.
Dabei hätte er nicht gedacht, dass sie zu dem Typ Frau gehörte, der auf den Klippen spazierenging, um in der Betrachtung des Meeres zu versinken.
Beinahe wäre er zu seinem Wagen zurückgekehrt; dann jedoch zuckte er mit den Schultern und beschloss, sich, da er nun einmal hier gelandet war, ebenfalls an dem Panorama zu erfreuen.
»Was für ein wunderbares Fleckchen Erde«, sagte er, trat neben sie und empfand beinahe so etwas wie Schadenfreude, als sie zusammenfuhr.
»Ich habe gerade
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