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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
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Schäferhundseite
     her eine normale, »wildförmige« Rute geerbt hatten, zeigen sämtliche typischen Schwanzbewegungen des Wolfes, die an Schäferhunden
     und anderen Abkömmlingen des canis aureus
niemals
zu sehen sind.
    Was die angeborenen Ausdrucksbewegungen, Mimik der Gesichtsmuskeln, der Körperhaltung und des Schwanzes betrifft, standen
     und stehen manche Hunde meiner Zucht dem Wolfe näher als andere europäische Hunde. Doch sind auch sie in dieser Hinsicht ärmer
     als der Wolf, obgleich reicher als jene. Dies wird den Kenner und Liebhaber aureusblütiger Rassen zunächst paradox dünken,
     denkt er doch zuvörderst an die Ausdrucksfähigkeit im allgemeinen, nicht an die
angeborene
, von der ich hier rede. Nirgends nämlich wird das oben angeführte Prinzip deutlicher als auf dem Gebiete des Ausdrucks, daß
     nämlich der Abbau des starren Angeborenen neue Möglichkeiten zu »frei erfundenen«, anpassungsfähigen Verhaltensweisen gewährt.
     Beinahe wie ein Wolf bleibt der Chow auf jene mimischen Bewegungen beschränkt, durch welche die Tiere der Wildform einander
     ihre Gefühle, wie etwa Zorn, Unterwürfigkeit und Freude, kundgeben. Diese Bewegungen stechen nicht besonders hervor, da sie
     auf das ungemein feine Reagieren des wilden Artgenossen abgestimmt sind. Dieses hat der Mensch weitgehend verloren, da er
     in der Wortsprache über ein zwar gröberes, aber deutlicheres Verständigungsmittel verfügt. Er ist nicht darauf angewiesen, |109| dem Artgenossen jede leiseste wechselnde Stimmung »an den Augen abzusehen«, da er ja
sagen
kann, was er will. Deshalb scheinen den meisten Menschen die wilden Tiere ausdrucks-
arm
zu sein, obwohl genau das Gegenteil richtig ist. Insbesondere der Chow dünkt denjenigen, welcher den Verkehr mit Aureushunden
     gewohnt ist, geradezu undurchsichtig; ähnlich ergeht es dem Europäer mit den Gesichtern mancher Ostasiaten. Hat man jedoch
     sein Auge geschult, so vermag man aus dem nur wenig bewegten Antlitz eines Wolfes oder eines Chow-Chows ebensoviel, ja mehr
     noch herauszulesen als aus den demonstrativen Gefühlsäußerungen der Aureushunde.
    Dennoch stehen die Letztgenannten geistig auf einer höheren Ebene: Sie sind weitgehend unabhängig vom Angeborenen, das Tier
     hat sie größtenteils erlernt, ja sogar frei erfunden! Kein starrer Instinkt veranlaßt einen Hund, seine Liebe dadurch auszudrücken,
     daß er seinen Kopf auf das Knie des Herrn legt. Eben deshalb ist dieser Ausdruck tatsächlich unserer menschlichen Sprache
     näher verwandt als alles, was die wilden Tiere einander zu sagen haben.
    Dem Sprechvermögen noch näher kommt die Verwendung von
andressierten
Bewegungsweisen als Ausdruck des Gefühles. Ein schönes Beispiel hierfür ist das Pfötchengeben. Auffallend viele Hunde, die
     dies gelernt haben, verwenden es in einer ganz bestimmten sozialen Situation dem Herrn gegenüber, dann nämlich, wenn sie ihn
     besänftigen, vor allem »um Verzeihung bitten« wollen. Wer kennt nicht den Hund, der irgend etwas angestellt hat und nun zu
     seinem Herrn schleicht, sich vor ihm aufrecht hinsetzt und mit zurückgelegten Ohren und extremem »Demutsgesicht« in krampfhafter
     Weise das Pfötchen zu geben sucht? Einmal sah ich einen Pudel, der diese Bewegungsweise sogar einem anderen
Hunde
gegenüber ausführte, vor dem er Angst hatte. Dies ist jedoch eine seltene Ausnahme, im allgemeinen bedienen sich auch solche
     Tiere, die ihrem Herrn gegenüber ein reiches Inventar individuell erworbener Ausdrucksweisen abspielen, doch nur der angeborenen
     Mimik der Wildform, wenn sie |110| mit ihresgleichen »reden«. Man kann sagen, daß die Fähigkeit zum freien, erlernten oder »erfundenen« Gefühlsausdruck bei verschiedenen
     Hunden in einem geraden Verhältnis zum Abbau der arteigenen Mimik der Wildform steht. In dieser Hinsicht sind also die am
     weitesten domestizierten Hunde in ihrem Verhalten am freiesten und am anpassungsfähigsten. Dieser Satz gilt natürlich nur
     allgemein, da ja auch die Intelligenz des Individuums eine große Rolle spielt. Ein besonders intelligenter wildformnaher Hund
     vermag unter Umständen schönere und kompliziertere Verständigungsmittel zu erfinden als ein noch so instinktfreies, aber dummes
     Tier. Der Ausfall des Instinktes ist immer nur die offene Tür für die Intelligenz, nicht sie selbst.
    Was hier über die Fähigkeiten des Hundes gesagt wurde, seine Gefühle dem Menschen auszudrücken, gilt begreiflicherweise in
     noch erhöhtem

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