So kam der Mensch auf den Hund
sehr tierverständigen und unbedingt glaubwürdigen Freundin meiner Familie gehörte. Die jagdfreudige Hündin
reagierte eindeutig verschieden auf die Worte: Katzi, Spatzi, Nazi und Eichkatzi. Die Besitzerin hatte also, ohne von den
Experimenten Sarris’ zu wissen, eine weitgehend analoge Versuchsordnung getroffen. Auf »Katzi« sträubte Affi die Rückenmähne
und suchte
auf dem Boden
in einer spezifischen Erregung, die eindeutig der Erwartung eines
wehrhaften
Wildes entsprach. Spatzen jagte sie nur in ihrer Jugend, in späterem Alter, als sie die Unerreichbarkeit dieser Tiere begriffen
hatte, sah sie nur gelangweilt nach ihnen hin, suchte aber offensichtlich den Spatzen, sofern einer vorhanden war, mit ihren
Blicken, bis sie ihn gefunden hatte. Das Wort »Nazi« hatte damals noch keine politische Bedeutung, vielmehr hieß so traditionell
der jeweilige Igel jener Dame, dem Affi stets feindlich gegenüberstand, den sie aber persönlich nicht kannte. Auf »Nazi« lief
sie sofort zu einem Laubhaufen im Garten, in welchem ein freilebender Igel wohnte, und begann dort zu stöbern und in |113| jener spezifischen, wütenden Weise zu kläffen, in welcher alle Hunde das gehaßte und schmerzende Stacheltier verbellen. Dieses
unverwechselbare, hohe Kläffen setzte regelmäßig auch dann ein, wenn gar kein Igel vorhanden war! Auf den Ruf »Eichkatzi«
blickte Affi aufgeregt nach
oben
und lief, wenn sie keines erspähte, von Baum zu Baum. (Wie viele Hunde, die eine schlechte Nase haben, war Affi vornehmlich
optisch orientiert und sah besser und weiter als die meisten anderen Hunde.) Sie verstand auch die Richtungsgeste der menschlichen
Hand, was bei einem Hunde selten der Fall ist. Affi kannte die Namen von mindestens neun Personen und konnte verläßlich durch
die Nennung eines Namens zu dem Betreffenden geschickt werden; sie hat sich nie geirrt.
Wenn diese Versuche den Laboratoriums-Tierpsychologen geradezu unglaubhaft dünken, so ist dagegen anzuführen, daß das Versuchstier
im Zimmer nicht so viele qualitativ voneinander unterscheidbare Erlebnisse hat wie der seinen Herrn frei begleitende Hund.
Die künstliche Assoziation einer bestimmten, dem Tiere im Grunde höchst gleichgültigen Dressurleistung mit einem bestimmten
Worte fällt dem Tiere selbstverständlich schwerer als diejenige eines primär aufregenden und bedeutungsgeladenen Jagdwildes
von so verschiedener Qualität wie Katze, Vogel, Igel und Eichhorn. Gerade beim Hund wird im Laboratorium die Möglichkeit zu
höchsten Leistungen des Wortverständnisses kaum in Bruchteilen ausgeschöpft, weil einfach die nötigen Interessen, die »Valenzen«
im Sinne der Tierpsychologie, nicht in genügender Zahl vorhanden sind.
Jeder Hundebesitzer kennt folgenden Vorgang, dessen Komplikation unter Laboratoriumsbedingungen nicht nachzuahmen ist. Der
Herr sagt ohne Betonung, ohne den Namen des Tieres zu nennen, ja er vermeidet dabei sogar das Wort »Hund«: »Ich weiß nicht,
soll ich ihn mitnehmen?« Schon ist der Hund aufgeregt, da er weiß, daß jetzt ein größerer und vielleicht unterhaltender Gang
bevorsteht. Hätte der Herr etwa gesagt: »Jetzt muß ich ihn hinunterführen«, |114| wäre das Tier gelangweilt und ohne Freudenbezeugung aufgestanden. Sagt der Herr nun: »Ach was, ich nehm’ ihn doch nicht mit«,
sinken die erwartungsvoll gespitzten Ohren traurig hinab, aber die Augen bleiben immer noch flehend auf den Herrn gerichtet.
Sagt dieser endgültig und entschlossen: »Ich lasse ihn zu Hause«, wendet sich der Hund beleidigt ab und geht auf seinen Platz.
Man mache sich bewußt, welche komplizierte Versuchsanordnung und welche mühsamen Vordressuren nötig sind, um ein analoges
Verhalten künstlich zu reproduzieren, so einfach und alltäglich es im natürlichen Zusammenleben von Herrn und Hund auch sein
mag.
Ich war leider nie mit einem der großen Menschenaffen wirklich eng befreundet; meines Wissens ist auch noch nie ein berufsmäßiger
Erforscher dieser Tiergruppe mit einem Individuum in ein so enges persönliches und freundschaftliches Verhältnis getreten,
wie es zwischen Herrn und Hund alltäglich ist. Grundsätzlich wäre dies vielleicht nicht unmöglich, wenigstens während der
ersten Lebensjahre des Tieres, das ja leider, geschlechtsreif geworden, zu gefährlich wird, als daß man es frei halten könnte.
Gerade ein solcher engster Kontakt, vornehmlich zwischen einem kritischen, wissenschaftlich
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