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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
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Maße für sein Vermögen, menschliche Ausdrucksbewegungen und menschliche Sprache zu
verstehen.
Wir dürfen den Jägern, die als erste mit halbwilden oder, besser gesagt, fast völlig wilden Hunden in soziale Beziehung traten,
     wohl zutrauen, daß sie ein feineres Verständnis für tierische Ausdrucksbewegungen hatten als ein heutiger Stadtmensch. Dies
     gehörte gewissermaßen zu ihrer Berufsausbildung; ein Steinzeitjäger, der einem Höhlenbären nicht anzusehen vermocht hätte,
     wann das Tier in gefährlicher und wann es in friedlicher Stimmung ist, wäre ein Stümper gewesen. Diese Fähigkeit war beim
     Menschen keine Instinkt-, sondern eine Lernleistung; dergleichen wird auch vom Hunde verlangt, der menschliche Mimik und menschliche
     Sprache verstehen lernen soll. Angeborenermaßen verstehen Tiere ja nur die Ausdrucksbewegungen und -laute der nächstverwandten
     Arten, erfahrungslose Hunde versagen ja schon vor der Mimik katzenartiger Raubtiere. Angesichts dieser Tatsache ist es ein
     wahres Wunder, bis zu welchem Grade Haushunde sich in die Gefühlsäußerungen des Menschen einzuleben vermögen. Zweifellos hat
     die Fähigkeit hierzu im Laufe der jahrtausendelangen Domestikation erheblich zugenommen.
    |111| Sosehr ich Lupushunde im allgemeinen und Chows im besonderen liebe, besteht für mich doch kein Zweifel, daß ihnen in der Fähigkeit,
     den Herrn bis in die tiefsten Gefühle zu »verstehen«, alle höher domestizierten Aureushunde weit überlegen sind. Meine Schäferhündin
     Tito war darin allen ihren lupusblütigen Nachkommen entschieden über. Sie wußte sofort, wer mir sympathisch war und wer nicht.
     Ich habe unter den Tieren meiner Kreuzungszucht nach Möglichkeit solche bevorzugt, welche diese Feinfühligkeit von Tito geerbt
     hatten. Stasi beispielsweise reagierte auf alle Krankheitssymptome an mir: Dabei äußerte sich ihre Sorge nicht nur, wenn ich
     eine leichte Grippe oder Migräne hatte, sondern auch, wenn ich mich aus rein seelischen Gründen stark deprimiert fühlte. Dies
     drückte sich objektiv darin aus, daß sie in solchen Fällen nicht wie sonst fröhlich umherlief, vielmehr gedrückt war, dauernd
     zu mir emporschielend bei Fuß ging und, sobald ich stehen blieb, sich mit der Schulter an mein Knie schmiegte. Interessanterweise
     zeigte sie dasselbe Verhalten, wenn ich einen leichten Schwips hatte; Stasi war dann über meine »Krankheit« dermaßen verzweifelt,
     daß dies allein genügt hätte, mich vom Trunke zu heilen, hätte ich je dazu geneigt.
    Soweit ich die Erfahrungen aus meinen Hundebekanntschaften verallgemeinern darf, steht der mit Recht so gerühmte Pudel, was
     die hier besprochenen Fähigkeiten anlangt, an erster Stelle. Nächst ihm scheinen mir deutsche Schäferhunde, gewisse Pinscher
     und vor allem große Schnauzer die in dieser Hinsicht »klügsten« Hunde zu sein, nur haben sie für meinen Geschmack allzuviel
     von der ursprünglichen Natur des Raubtieres verloren. Denn gerade ihrer außerordentlichen »Menschlichkeit« wegen fehlt ihnen
     jener Reiz des Natürlichen, der meine wilden Wölfe auszeichnet.
    Eine große Schnauzerhündin war es auch, die unter sämtlichen mir bekannten Hunden mit großem Abstand den Rekord im Verstehen
     menschlicher
Worte
hält. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, zu meinen, Hunde verstünden die Bedeutung eines Wortes nur aus dessen Betonung
     und seien für |112| die Artikulation taub. Der angesehene Tierpsychologe Sarris hat dies an drei Schäferhunden einwandfrei nachgewiesen. Die drei
     Rüden hießen Haris, Aris und Paris. Befahl nun ihr Herr: »Haris (Aris Paris), geh’ in dein Körbchen!« – so stand unfehlbar
     immer nur der Angesprochene auf und ging traurig, aber gehorsam auf seine Lagerstatt. Dies funktionierte auch, wenn der Befehl
     aus dem Nebenzimmer kam und jede unbewußte Zeichengebung ausgeschlossen war. Manchmal will es mir scheinen, als erstrecke
     sich das Wortverständnis eines klugen, mit seinem Herrn in innigem Kontakt stehenden Hundes sogar auf ganze
Sätze.
Die Äußerung »Ich muß jetzt gehen« brachte sowohl Tito als auch Stasi sofort auf die Beine, auch wenn ich unter scharfer Selbstkontrolle
     ohne jede besondere Betonung gesprochen hatte; hingegen rief jedes dieser vier Worte, in anderem Zusammenhange gebraucht,
     keinerlei Reaktion hervor.
    Über das reichste Vokabularium nachweislich und eindeutig verstandener menschlicher Worte verfügte die schon erwähnte Schnauzerhündin
     Affi, die einer

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