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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Dusche.«
    Er betrat die benachbarte Duschkabine, fühlte sich wie ein General, der eine Schlacht verloren hatte, aber allen Anlaß zu der Hoffnung sah, den Krieg zu gewinnen. Anhänglich folgte ihm Morning. Sie wuschen sich gegenseitig, gaben einander triefnasse Küsse. Morning hatte einen herrlich griffig-festen Leib, in dem man die Knochen spürte, ganz anders, als er es bei ihresgleichen erwartet hätte. Irgendwann hatte er von dem psychologischen Experiment gehört, bei dem eine männliche Ratte während ständiger Zuführung neuer Weibchen ständig sexuell erregt gehalten worden war, und als er sah, wie das Wasser, das an Morning hinabrann, sie verwandelte, die Tropfen, als wären sie glitzrige Kiesel, über ihre unglaublich begehrenswerten Hüften perlten, und einige Augenblicke später, wie das eng um ihre Schenkel gewundene Laken sie wiederum veränderte, da wußte er, daß er in Morning Valcourt eine unversiegbare Quelle der Lust gefunden hatte.
    Das zweite Mal vögelten sie so, daß ihre beiden Geschlechter auf sie stolz gewesen wären. Zügig erfaßte Morning, auf was es ankam, sie agierte lockerer, geschmeidiger, bebte vor Wonne, kostete die ungewohnten Gefühle aus. Ihr wurden Erinnerungen an ihr annulliertes Liebesleben bewußt. George berührte sie mit der gleichen Wertschätzung und Hingabe, wie er früher zu Grabsteinen zerteilten Granit gestemmt hatte. Morning hatte überstarke, ausgedehnte Orgasmen, die George ähnlich konvulsivische Höhepunkte ermöglichten. Zwischendurch dösten beide, und wenn sie zu sich kamen, vereinigten sie sich nochmals inmitten der vielen, kleinen Flammen, Morning improvisierte jetzt, ergriff die Initiative zu Neuem, nutzte ihren Körper zum Leugnen ihrer Annulliertheit, und nach und nach merkte George, daß sie, alles in allem besehen, dafür eine ausgeprägtere Befähigung als er mitbrachte. Seine sexuelle Erfüllung reichte tiefer, als er es je zuvor erlebt hatte. Rund um die Uhr praktizierten sie beide ihr Geschlechtsleben, ins Schlafen, Essen und Atmen fügten sie sich nur der Unvermeidlichkeit halber. Sie entdeckten sexuell noch ungenutzte Körperöffnungen und erprobten ihre Brauchbarkeit; sie dachten sich geile Späße aus, teils verbale, teils solche, zu denen es der Finger und des Munds bedurfte; sie fraßen einander schier auf in ihrer Brunst, versuchten es gemein und schmutzig, dann wieder kosmisch-überhöht zu gestalten, so daß sie manchmal schlicht fickten, bisweilen ›der Liebe pflegten‹, und bei allem vergaßen sie nicht den Reiz neuer Örtlichkeiten: sie trieben es auf den Spieltischen, in der Kapelle, in den Schwimmbecken, im Offizierskasino, in Mornings Behandlungszimmer. Sie bekam ihre Menses. Auf mit schwarzem Blut getränktem Bettzeug bumsten sie weiter. George schwärzte seinen Bolzen. Ihre wechselseitigen Bewegungsabläufe, die Stöße, das Aufbäumen, alles nahm den Charakter von Trotzhandlungen an, einer Verhöhnung aller negativen Gedanken, und Georges Spermien wedelten mit ihren prächtigen Schwänzlein und schlängelten sich in Mornings eilose Gebärmutter vor, und insgeheim jubilierte das verhinderte Elternpaar, dachte: Versucht es auf alle Fälle einfach einmal, ihr armseligen, kleinen Lausejungs, seid fruchtbar und mehret euch, denn eine Jungfrau wird empfangen, ihr könnt es schaffen, also gebt euch gefälligst Mühe.

 
KAPITEL 19
     
    Worin gewisse Dinge darauf deuten, daß Nostradamus die Wahrheit vorausgesehen und Leonardo da Vinci sie gemalt hat

Der April war der grausamste Monat, nie hörte er auf, den Mai anzukündigen. Georges Frau verlor an Kräften. Ständig hustete sie. Das warme, ebenholzschwarze Blut wich aus ihrem Gesicht, bis es kalkigtrocken wirkte. Ihre Haare wurden brüchig. Aus ihrem Innern drangen absonderliche, leise Laute, Zisch- und Knirschtöne, auch Geräusche, als ob Zellophan verbrennte.
    Gelegentlich traf George sie im Periskopraum an, wo sie eines der Geräte umschlungen hielt, sich mit voller Länge ihres Körpers dagegenpreßte, bis ihr Zittern nachließ. Immer öfter blieb sie den ganzen Tag im Bett, ihre Atmung röchelte, sie spuckte tintenschwarzes Blut.
    »Ich möchte mit dir sprechen«, sagte sie.
    »Über was?«
    »Mein Leben.«
    »Wird dich das nicht traurig machen?« George schob ein zweites Kissen unter den ihr schwergewordenen Kopf; ihm entgingen nicht der Guiligeruch, der mit dem Atem aus ihrem Mund quoll.
    »Doch.« In Mornings Augen pulsten schwarze Venen.
    George küßte seine Frau.

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