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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Morning.
    George ergriff den weißen Raben auf Sverres Schreibtisch, glättete seine Alabasterfedern. Holly hätte ihn Flörchen genannt. »Sir, Sie haben zu meinen Gunsten einige Anstrengungen unternommen«, sagte er umständlich. »Dafür bin ich Ihnen dankbar.«
    »Ihr Name hätte nie in der Anklageschrift stehen dürfen, Paxton.« Sverre grinste, bleckte dabei Zähne, die indischem Mais ähnelten. »›Seid fruchtbar und mehret euch‹, kann ich Ihnen beiden jetzt bloß noch empfehlen.«
    Morning warf George einen Blick mit der unmißverständlichen Aufforderung zu, dem U-Boot-Kommandanten seine Illusionen zu lassen. »Mein lieber Korvettenkapitän Sverre«, fragte sie, »ist meine Annahme richtig, daß Sie den Dienst in der Marine noch nicht quittiert haben? Sind Sie noch Kapitän der Donald Duck?«
    *
    Der Todgeweihte konnte nicht stehen, also setzte er sich auf den Altar, seine Stiefel baumelten gegen das seidene Antependium. Früher wäre seine Stimme durch die ganze Kapelle gehallt, hätte vielleicht gedonnert wie eine Höllenfeuer-Predigt Pastor Sparrens; jetzt jedoch mußte das Brautpaar sich vorbeugen, um seine Worte verstehen zu können.
    »Prost Gemeinde, wir sind hier versammelt in Gegenwart… Egal. Egal.« Ein Hustenanfall packte und schüttelte Sverre. Er ruderte mit den Armen, seine Hand drosch gegen einen Kerzenhalter, warf ihn um. »Von irgend etwas. Irgend was. Um diesen Mann und diese Frau zu vereinen zum… Zu irgend was. Zum heiligen Ehebund. Zum abgesegneten Bumsprogramm. Irgend so was halt.«
    Er zog die Gin-Flasche aus dem Frack und trank.
    »Wollen Sie, Morning Valcourt, diesen Troll, George Paxton, zu Ihrem rechtmäßig angeträumten Eheweib… Ehemann nehmen… und von nun an in guten und schlechten Dingsda… ob arm, ob reich, die Liebe macht uns alle gleich… in Wohl und Wehe… lieben und ehren, bis daß… daß der Tod verscheidet?«
    »Ja.«
    Sverre hustete, schwarzes Blut kam ihm hoch.
    »Wollen Sie, George Paxton, diese Frau, Morning Valcourt, zu Ihrer rechtmäßig angebauten Gattin nehmen und sie von nun an, in guten wie in schlechten Zeiten, in Wohl und Wehe… ob Heuschreckenschwärme, ob Gammastrahlen… lieben und… und so weiter. Na, was denn nun?«
    »Ja.«
    »Also sind Sie jetzt im geiligen Eheschlund verweint, und vor Gott und dem Kapitän verschwöre ich Sie zu Mann und Frau.«
    Ehegatte und Ehegattin küßten sich. Ihre ARES-Monturen saugten sich aneinander fest und trennten sich einen Augenblick später mit einem saftigen Schmatz.
    Als Sverre lächelte, verklebte ihm schwarzes Blut die Zähne. »Bringen Sie Ihren Kindern Respekt vor der kristinlichen Seefahrt bei.« Er sackte auf dem Altar zusammen. »Da«, raunte er. »Hab sie noch nie so deutlich gesehen… Schaun Sie mal, da ist Kristin, sie fährt Achterbahn, rauf und runter, rauf und runter… so freundlich…«
    George und Morning streckten ihn auf dem Altar aus, knöpften seinen Frack auf. Wie eine verschimmelte Zwiebel stieß Sverre nacheinander verschiedene Schichten ab, Haut, Muskeln, Eingeweide, Nerven, alles rutschte von seinen Knochen, dann sah man nur noch Staub, und zum Schluß nichts mehr, überhaupt nichts außer einem einzelnen Gummiauge.
    Die Jungverheirateten verknoteten Sverres leere ARES-Montur zu einem Bündel, stiegen damit aufs Oberdeck und warfen es über Bord. Eine Eisscholle schwamm auf die Montur zu und drückte sie unter Wasser, hinab in die Tiefen der Bucht. Von ihren Brutplätzen herab schaute eine Schar Pinguine zu. In ihren vornehmsten Smokings waren sie zur Hochzeit erschienen und mußten unmittelbar im Anschluß eine Seebestattung mitansehen. Ernst wie ein Trauerzug standen sie pflichtbewußt auf den Klippen, bis mit wuchtig-lauten Schwingenschlägen und gräßlichem Kreischen der Geier aufkreuzte und sie verscheuchte. Es war das letzte Mal, daß George das große, nichtausgestorbene Tier sah, seinen gefiederten Mitangeklagten, ein Monstrum und per Zufall Weltuntergangsverursacher.
    Erschöpft und ausgehungert – seit zwei Tagen hatten sie weder geschlafen, noch eine regelrechte Mahlzeit eingenommen – kehrten Gatte und Gattin in ihre Behausung zurück. Sie gingen in die Kombüse, ein Wunderland der Töpfe und Pfannen, und bereiteten ihr Hochzeitsfestessen zu, schlangen alles sofort hinunter. Äpfel und Birnen verschwanden in ihren hungrigen Mündern, Putenkeulen nagten sie halb roh ab, Mais futterten sie in gefrorenem Zustand. Den Hochzeitskuchen verzehrten sie, während er

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