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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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vor Georges Augen Gesichter. Nadine Covington. Theophilus Carter. Leutnant Moritz. Alles Schwarzblütige.
    Morning Valcourt.
    Gehörte sie ebenfalls zu ihnen? War Aubreys Mutter eine Frau aus der Zukunft?
    »Als Annullierter muß man seinen zeitweiligen Ausnahmeaufenthalt im Leben gut nutzen«, sagte Sverre. »Ein Jahr ist gar nichts.«
    Am allerwichtigsten war gewesen: Sich Wärme zu verschaffen. Also hatte man sich als Piraten betätigt, ARES-Monturen-Frachter während ihrer Ozeanüberquerungen gekapert.
    »So ein Kleidungsstück ist hervorragend geeignet«, erklärte der Kapitän, »um sich vor Kälte zu schützen.«
    Ein Jahr. Nichts. In einem Jahr konnte man keine Familie gründen. Im Lauf eines Jahrs ließ sich keine große Republik ausrufen. Aber man kann mit etwas Glück, nachdem man die erforderlichen politischen Maßnahmen durchgeführt hat, eine Anzahl an Schlüsselpositionen aktiver Individuen aufspüren und sie zur Rechenschaft ziehen. Also baut man ein Gerichtsgebäude. Einen Richtertisch. Einen Zeugenstand. Eine Anklagebank. Auf dem Grunde des McMurdo-Sunds liegt ein U-Boot mit MultiAttack-Fernraketen. Annullierten-Marine-Froschmänner holen es herauf. Man läuft aus. Man rettet sechs Männer aus dem Rachen des Weltuntergangs. Eigentlich sollen es mehr sein – auch Präsident Orlaff, Senator Krogh, der Marine-Staatssekretär und der Sicherheitsberater sind ebenfalls gefragt –, aber sie sind schon tot.
    »Gericht?« Henker wollte soeben eine Gabelvoll deutschen Marmorkuchen essen, aber ihm mißlang dies Vorhaben. »Haben Sie ›Gericht‹ gesagt?«
    »Ja, Gericht«, bestätigte Randstable ihm leise.
    »Wir wünschen Einlaß«, sagte Sverre. »Statt dessen müssen wir uns mit Wissen zufriedengeben. Sie werden uns erklären, warum dieser Krieg sein mußte. Bedenken Sie, was für ein Glück Sie gehabt haben. Wir hätten Sie dem Weltbrand überlassen können, wie wir es im Falle der anderen beschlossen haben. Der Gegenseite. Ihre unsoliden Parteien, der bankrotte Marxismus, ihre ungeheuerlichen Anmaßungen, alles ist gnädig ausgemerzt. Sie hingegen sind ambivalente Personen. Man kann Sie nicht klar einordnen. Ihre Undurchschaubarkeit war es, die Sie gerettet hat, sonst nichts.«
    George hatte sich noch nie für eine ambivalente Person gehalten.
    »Sicherlich möchten Sie die Schuld an dieser Tragödie doch wohl nicht uns zuschieben«, brummte Overwhite. »Alles was in unserer Macht stand, haben wir getan, um…«
    »Äh, einen Moment mal, Brian«, unterbrach ihn Randstable. »Ganz offensichtlich haben sie vor, die Schuld uns anzulasten. Ich meine, wenn Sie an die Alternative denken… Sie wissen schon, die die Ausrottungsschleife.«
    »Sie haben über uns keine Jurisdiktion«, sagte Wengernook. »Keinerlei. Null. Nada.«
    Eine neue Stimme griff in den Wortwechsel ein. »Das ist leider nicht wahr.«
    Sverres Tischnachbar war aufgestanden. »Die McMurdo-Sund-Konvention läßt die Einsetzung eines Internationalen Militär- und Ziviltribunals zu«, stellte der junge Mann klar, indem er einen Brocken Zitronenbaiser hinabschlang. »Anhang Eins umfaßt die gegen Sie erhobenen Anschuldigungen. Aber keine Sorge, sobald das Verfahren anfängt, fechten wir die Zuständigkeit des Gerichts an.«
    Georges Appetit auf Nachtisch, der kurz zuvor noch die Stärke eines urtümlichen Gelüsts hatte, war ihm jetzt völlig verdorben worden. Ein Gerichtsverfahren gegen uns? Ich vor einem Tribunal? Alles bloß wegen eines lächerlichen Abgabevertrags?
    »Zum Donnerwetter«, raunzte Henker, »wer sind Sie?«
    »Ihr Verteidiger. Martin Bonenfant, Annullierten-Anwalt. Meine Mitarbeiter und ich sind damit beauftragt worden, Ihren Fall vor Gericht zu vertreten. Ich empfehle Ihnen dringend, uns Ihre Verteidigung übernehmen zu lassen.«
    »Wir brauchen keinen Scheißverteidiger«, behauptete Wengernook.
    Bonenfant strich sich mit den Fingern durchs glatte, schwarze Haar. »Doch, Sie brauchen einen, obwohl Ihre Aussichten besser stehen, als Sie vielleicht vermuten. Wir haben Untersuchungen über die Moral Ihrer Kriegsgegner sowie die vielen einfallsreichen Vorkehrungen vorgenommen, die von Ihnen veranlaßt worden sind, um eine gegenseitige Vernichtung auszuschließen. Ist Ihnen bekannt, daß die Russen den Geist und gelegentlich auch den Buchstaben beider STIRB-Abkommen verletzt haben?« Er stopfte noch mehr Zitronenbaiser in sich hinein. »Und wenn alles nichts mehr hilft, habe ich noch ein, zwei Finessen in der Hinterhand. Ich bin

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