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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Hintergangen? An der Nase herumgeführt?«
    »Genau das alles.«
    »An der Nase herumgeführt durch deine Therapeutin? Die Schwarzblütigen?«
    »Beide. Du hast dir nie was aus mir gemacht.«
    »Sag nichts, von dem weißt, daß es unwahr ist.«
    »Du willst mich nur soweit wieder auf die Haxen stellen, daß ich vor Gericht abgeurteilt werden kann.«
    Morning fing mit dem Opferdolch in Im Herzen brennt die Sehnsucht zu blättern an. »Gib mir deinen Leonardo.«
    »Wieso meinst du, ich hab ihn dabei?«
    »Gib her.«
    George klaubte das Bildchen aus dem Hemd. Morning nahm es mit der gebotenen Achtung entgegen, hielt es an den Seitenrändern.
    »Ich weiß nicht, wie ich dazu stehen soll.« Sie berührte das Haar ihrer noch unempfangenen Tochter. »Aber mir gefällt, was es zeigt. Alles daran gefällt mir. Deine Hand ruht fast auf meiner Brust.«
    Allmählich schnallt sie die Sache, dachte George. Liebe. Ehe. Bumsen. Kinder. Wiederbegründung der Menschheit. »Ich muß eine Stadt mit Marmormauern finden. Dort kann man Zeugungsunfähigkeit beheben.«
    »Natürlich könnte sie nur ein Phantasieprodukt sein«, sagte Morning. »Nadine Covingtons persönliche Rache.«
    »Ich glaube dem Bild. Und du glaubst ihm auch.« Liebe. Ehe. Bumsen. Allerdings nicht zwangsläufig in dieser Reihenfolge. »Heute abend trinken wir zusammen was im Silberdollar-Kasino.«
    »Nein.«
    »Wenn wir heiraten und eine Familie werden wollen, sollten wir uns ’n bißchen näher kennenlernen.«
    »Ich kann nichts mit dir trinken gehen.« Morning gab ihm den Leonardo zurück. »Wir sind hier unter lauter Schwarzblütigen, George. Sie beherrschen den antarktischen Kontinent. Bist du dir eigentlich über deine Situation im klaren? Falls die Richter dich schuldig sprechen, wird nichts von allem, was wir uns wünschen – eine Hochzeit, Aubrey, ihre Geschwister –, jemals Realität.« Sie beugte sich vor, sprach in hastigem Flüsterton. »Von nun an darf niemand uns zusammen sehen. Wir dürfen nicht zulassen, daß irgendwer den Vorwurf erhebt, mir mangelte es an Objektivität. Niemand soll sagen können: ›Dr. Valcourt? Ach, das ist seine frühere Therapeutin.‹ Ich bin auch beim Tribunal anwesend, mein Freund. Als Zeugin der Verteidigung. Ich weiß etwas, das dir in deinem Verfahren von Nutzen sein kann.«
    »Ich habe nicht vor, mich einfach so von dir fernzuhalten. Ich denke gar nicht dran.«
    Morning verminderte die Lautstärke ihrer Stimme auf ein noch verschwörerischeres Minimum. »Du mußt aber. Bis zu der Stunde meiner Zeugenaussage bleibe ich aus deinem Leben gestrichen. Hast du verstanden? Verschwunden. Es ist sinnlos, mich zu suchen. Niemand an Bord kennt sämtliche entlegenen Gänge, all die Sackgassen.«
    »Was weißt du Nützliches zu meiner Verteidigung?«
    »Ich weiß, daß du mir sehr viel bedeutest.«
    Sie verabschiedeten sich nicht, indem sie sich küßten, auch nicht, indem sie sich umarmten, sondern nur durch ein zartes Berühren ihrer Fingerspitzen. Für George war diese kurze Berührung eines der fleischlichsten und leidenschaftlichsten Erlebnisse seines Daseins. Noch lange spürte er davon ein Nachgefühl in den Händen. Die Freudigkeit blieb in seinem Gedächtnis haften, wenn ihm danach zumute war, konnte er sich jederzeit daran erinnern.
    Kapitän Sverre hat recht. Ein Jahr ist nichts. Bisher hatte George – in seinem Alter von fünfunddreißig Jahren – rund zwölftausend Tage körperlicher Empfindungen erlebt, von denen viele staunenswert wundervoll gewesen waren: Kaffetrinken, seiner Tochter etwas vorlesen, Fingerspitzenkontakt mit Morning Valcourt. Ein Jahr ist gar nichts. Kein Wunder, daß die Annullierten ihn aufknüpfen wollten.
    *
    Am nächsten Wochenende bekam die Erebus-Pokerrunde nur wenige aufregende Pokerspiele zustande. Henker vergaß ständig, was die Sequenz sein sollte.
    War mit dem Austeilen Wengernook an der Reihe, geriet er mit der Reihenfolge durcheinander. Overwhite verwirrte die Chips, und obwohl er nur einen lumpigen Dollar gesetzt hatte, bestand er darauf, es seien fünf gewesen.
    »Diese verdammten Zombies«, brummelte Henker. »Sie kommen mir irgendwie einfach unwirklich vor, verstehen Sie, was ich meine? Es würde mich nicht wundern, falls irgendwann auffliegt, daß diese ganze Farce in Moskau ausgeheckt worden ist.« Nicht die mindeste Kleinigkeit im Habitus des Generalmajors – Haltung, Miene, Tonfall – rechtfertigten die Schlußfolgerung, daß er den eigenen Worten Glauben schenkte. Die

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