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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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– Schädelknochen gegen Marmor – mit der Statue kollidierte, erlebte er Empfindungen, die ihn an das Niedergeballertwerden durch John Frostig erinnerten, doch als er nach oben schielte, sah er seinen Geier nicht. Freilich nicht, dachte er, er steckt ja unter dem Raketenbunker. In einen Käfig ist er eingesperrt. Diesmal kann er nicht zu mir kommen…
    *
    George erwachte in seiner Koje; als erstes fiel sein Blick auf tote Seepferdchen. Jennifer, Susi, Jeremias, Alfred und Margret trieben jetzt nur noch als schwammige Klümpchen fast unter der Wasseroberfläche des Aquariums. Er hatte sie gefüttert, so gut es möglich gewesen war, eine neue Generation aufgezogen, die Elterngeneration weiter versorgt, mit ihnen gesprochen hatte er, aber seine Bemühungen hatten sich nicht als ihrem Todeswunsch gewachsen erwiesen. Ausschnitte der Predigt Seifensteins gingen ihm durch den Kopf. Und die Menschheit sprach: Seid unfruchtbar und zeugungsunfähig…
    »Wir sind in schweren Seegang geraten«, sagte eine Stimme aus dem Nichts.
    George blinzelte. HOPPEL-Häschens abgezehrte Gestalt stand neben seiner Koje, bot ihm einen mit Kaffee gefüllten Styropor-Becher an. Sein Gesicht war durch eine Fülle von Spuren des kürzlichen Chaos gezeichnet: Prellungen, Verbände, verschorfte Schnittwunden.
    »Sogar in Schlimmeres als schweren Seegang«, fügte Henker hinzu. »Einen Strudel.«
    Georges Kopf fühlte sich an, als wäre er gerade erst bei einem gewalttätigen Mannschaftssport als Ball verwendet worden. Er betastete seine Kopfhaut. Flachere Schwellungen umgaben die größte Beule wie ein Vorgebirge. Er schlürfte Kaffee. »Strudel?«
    »Einen wirklich riesigen Strudel.« Mit unverhohlener Schadenfreude beschrieb Henker den Meereswirbel, in dem man anscheinend einer wahren Charybdis der Gegenwart begegnet sein mußte, die in jeder Sekunde Hundert Tonnen von Wasser einsaugte, sich durch den Ozean fraß, ganze Archipel verschlang, sie mit weiten Gebieten des Südatlantiks die Gurgel hinabspülte. »So, und nun kommt das Schöne an der Geschichte: Der Strudel hat uns aus dem Wasser gehoben. Ob Sie’s glauben, oder nicht, wir liegen auf Gottes trockenem Land.«
    Lahm raffte George sich vom Bett hoch, und nachdem er aus der Toilette das erforderliche Material geholt hatte, machte er sich daran, die winzigen, pferdchenhaften Kadaver in Blätter des Klopapiers zu wickeln. »Land? Die Antarktis, meinen Sie?«
    »Die Antarktis ist anderthalbtausend Kilometer entfernt. Wir liegen auf einer Insel vor dem Kap der guten Hoffnung fest. Ich hab’s durchs Periskop gesehen. Momentan ist Ebbe. Morgen kommt wieder Flut und hebt uns vom Trockenen.« Irre Freude weitete Henkers Augen. »Ich habe eine Frage an Sie, Paxton, und sollte die Antwort ja lauten, dann gibt es wirklich einen Gott im Himmel. Sie haben doch eine ARES-Montur an Bord gebracht, stimmt’s?«
    Bei sich formulierte George eine Grabinschrift für Seepferdchen Jeremias – ER WAR EIN GUTER VATER – und nickte.
    »Kann ich sie mal sehen?« fragte Henker.
    George öffnete den Schrank und nahm Hollys unverschenktes Weihnachtsgeschenk von der Stange. Henker stürzte sich regelrecht auf die Montur, riß den 45er Colt aus dem Koppel und schob ihn ins Halfter seines tragbaren Atomraketchens.
    »Zufällig ist das meine Pistole, Henker. Beziehungsweise die meiner Tochter, um genau zu sein.«
    »Sie dürfen sich mir gern anschließen.«
    »Wohin wollen Sie denn?«
    »Mittschiffs ab durchs Luk.«
    »Sie meinen… um zu fliehen?«
    »Falls die Einheimischen uns feindlich gesonnen sind, bauen wir ’n Floß und setzen zum Festland über. Dort finden wir mit Sicherheit Überlebenszonen der Zivilisation, denen wir dabei behilflich sein können, die ganze Scheiße zu beheben. Wir bauen alles wieder auf. Die Welt ist unsere Auster, Paxton.«
    »Eine tote Auster.« George wickelte Susi in Klopapier, dachte sich ihre Grabinschrift aus: SIE WAR EINE SPORTLICHE TAUCHERIN.
    »Was ist mit Ihnen los, vertrauen Sie unserem Überlebenstrieb nicht?« fragte der Generalmajor. »Sind Sie bei den Pfadfindern unehrenhaft rausgeschmissen worden, oder was?«
    »Ich habe den Eindruck, Ihre Idee ist nicht so gut, Henker.«
    »Es muß an Land jede Menge verschont gebliebener Ortschaften geben.«
    »Draußen sieht’s wie auf ’m Mond aus.«
    »Das glauben Sie. Ich versuche Ihnen doch schon die ganze Zeit klarzumachen, daß das Geschwafel von Ausrottung nur dummes Zeug ist. Auf dieser Insel steht eine Stadt, eine

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