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So nah am Leben

So nah am Leben

Titel: So nah am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inaqiawa
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sie fast ohne Pause Kilometer für Kilometer, und nach mehr als zwei Stunden besucht sie auch wieder der ihr sehr vertraute Schmerz in den Füßen. Und es scheint, als hätte er auch noch ein paar seiner Verbündeten mitgebracht: Es zwickt gleich an mehreren Stellen, nie langanhaltend, dafür aber sehr abwechslungsreich.
    Sie geht in die Beobachtungsposition und erkennt, daß sie ihre körperlichen Kräfte ganz offensichtlich verlassen. Da zeigt sich in ihrer Fantasie so etwas wie ein Schild, auf dem steht: Es reicht!
    Okay, denkt sie und vertröstet ihren Körper darauf, daß es nur noch wenige Kilometer bis zum Ziel sind und daß er dann noch vier Tage lang am Strand des Atlantiks ausruhen darf. Das scheint den Schmerz aber im Moment nicht sonderlich zu beeindrucken, denn er bleibt und wandert unbeirrt weiter. Und so nimmt sie ihn einfach hin und nennt ihn liebevoll ihren kleinen „Wanderschmerz“, wobei sie sich an der Doppeldeutigkeit des Wortes erfreut, sie möchte sich aber nun nicht mehr länger mit ihm beschäftigen.

    Ein Thema zum Nachdenken muß her. Ihr kleines Stoffsäckchen ist ihr in den letzten Tagen abhanden gekommen. Sie muß es irgendwo verloren haben, keine Ahnung, wie das passiert ist.
    Wenn sie genau überlegt, dann sind ihr die Themen ja auch eher irgendwie zugeflogen oder haben sich ganz natürlich ergeben. Sie ist nicht wirklich traurig über den Verlust und nimmt sich ein kleines Spielchen vor.
    Bei den nächsten Pilgern, die sie überholen, wird sie auf die Worte achten, die sie sagen. Die meisten unterhalten sich angeregt auf ihrem Weg. Vielleicht gibt es einen Hinweis für ein Thema, über das es sich nachzudenken lohnt.

    Samantha muß nicht lange warten. Zwei hübsche junge Frauen überholen sie, und die eine fragt die andere: „Wozu tun wir das hier eigentlich?“ Bevor die andere antwortet, tauschen sie noch schnell ihr „Buen camino!“ aus, und Samantha fügt noch ein „Danke schön“ hinzu. Auch wenn die beiden Frauen nicht wissen, wofür Samantha sich bedankt, ihr Dank ist ihnen gewiß.

    Das kleine Wort WOZU hat sie regelrecht „angesprungen“. Es ist ein Thema, das sie bereits seit vielen Jahren begleitet. Wir alle kennen die Frage nach dem WARUM, also nach der Ursache von bestimmten Dingen und Geschehnissen. Nur selten fragen wir jedoch auch einmal in die andere Richtung, sozusagen nach vorn gerichtet, WOZU etwas gut ist oder WOZU wir etwas sagen oder tun.

    Wir haben alle mehr oder weniger gelernt, kausal zu denken und die Dinge aus der Perspektive der Vergangenheit, also rückblickend, zu betrachten. Was sind die Gründe und Auslöser für etwas, warum tut jemand etwas?
    Mit dieser Frage befinden wir uns ausschließlich in der Vergangenheit. Da wir die Vergangenheit aber nicht mehr ändern können, bekommen wir zwar möglicherweise Erklärungen für ein bestimmtes Verhalten oder ein bestimmtes Ereignis, dennoch haben wir gegenwärtig keine Möglichkeit für eine Korrektur.
    Die Frage ist nur: Was nützt uns eine Erklärung der Vergangenheit für die Gegenwart und vor allem für die Zukunft? Allein das Verständnis oder das Wissen um die Ursache von etwas ändert nichts am bereits Geschehenen und wird auch keine Veränderung in bezug auf zukünftiges Verhalten bewirken.

    Wenn wir uns die Antworten eines WARUM einmal ganz genau anschauen, dann können wir feststellen, daß die Erklärungen fast nie etwas mit uns persönlich zu tun haben.
    Nehmen wir mal das ganz banale Beispiel des Zuspätkommens. Wenn wir jemanden fragen: „Warum kommst du zu spät?“, dann sind unglaublich viele Erklärungen möglich: Der Wecker hat nicht geklingelt, das Auto sprang nicht an, die Ampel war rot, die Straßen waren verstopft, die Zeit ging so schnell vorbei und was uns da noch so alles einfällt. Manchmal glauben wir auch tatsächlich, daß es daran gelegen hätte — wir sind eben leicht zufriedenzustellen. Alle diese Gründe — ob wahr oder erfunden — verhelfen uns jedoch nicht zu einer Einsicht und damit auch nicht zu einer Veränderung. Vor allen Dingen aber: Wir haben keine Schuld daran, daß wir uns verspätet haben, es war ja die Ampel, der Wecker, die Straße oder das Auto!

    Ganz anders ist es mit der Frage nach dem WOZU. Natürlich würde man niemanden fragen: „Wozu kommst du zu spät?“ Aber wir könnten zum Beispiel fragen: „Wozu hast du (all) diese Faktoren bei deiner Zeitplanung nicht berücksichtigt?“
    Egal, wie die Antwort lautet, jeder Satz müßte mit

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