So nah am Leben
Theorie, daß sich die Seele — bevor sie sich in einem Menschen ausbreitet — Klarheit darüber besitzt, welche Absicht sie auf ihrem Erdenleben verfolgt und warum sie genau diese für richtig erachtet. Es geht um die Weiterentwicklung des Geistes und folglich um die Weiterentwicklung aller Seelen. Nun scheint es aber so, als könnten wir uns später im Leben nicht mehr daran erinnern. Also geht es im Grunde genommen gar nicht darum, im Leben so viel wie möglich zu lernen, sondern darum, daß wir uns so gut wie möglich an unseren ursprünglichen persönlichen Auftrag erinnern.
An dieser Stelle kommt ihr ein Märchen für Erwachsene von Mary Pat Fisher in den Sinn, das ihr den Zugang zu dieser Theorie erleichtert hat. Es handelt davon, sich wieder an das Licht und die Liebe zu erinnern:
Es war einmal ein Land des Lichts. In diesem Land war alles von außergewöhnlicher Schönheit und Vollkommenheit. Die Wesen, die dort lebten, waren durchdrungen von Liebe und von Licht.
In diesem Land gab es eine Königin, die ein allumfassendes Herz hatte, aus dem die Sonne erstrahlte. Ihre Augen waren gleich funkelnden Sternen, und sie wachte achtsam über alle Wesen ihres Landes.
Die Königin wußte, daß es jenseits ihres Landes ein dunkles und liebloses Land gab. Die Bewohner dieses unglücklichen Landes sahen die Schönheit und die Liebe um sie herum nicht mehr. Das allumfassende Herz der Königin spürte das Unglück in diesem fernen Land, als wäre es ihr eigenes.
So beschloß sie, etwas dagegen zu unternehmen. Irgend jemand sollte in dieses unglückliche Land reisen, um die Menschen dort wieder an die Liebe und das Licht zu erinnern. Alle waren sich darüber im klaren, daß dies eine sehr gefährliche Mission werden würde, denn der Dunkelheit der anderen Seite sei nur schwer zu widerstehen.
„Die Menschen dieses dunklen Landes brauchen jemanden, der so rein ist und ein so strahlendes Herz hat, daß ihm die Dunkelheit nichts anhaben kann“, sprach die Königin. Sie dachte an die kleine Gloria, deren Herz das strahlendste von allen war und deren Mut und Liebe größer waren als die Furcht. Die Königin erzählte Gloria von ihrem Vorhaben und bat sie um ihre Hilfe. Sie erklärte ihr alles sehr genau und ließ sie auch nicht im unklaren darüber, daß diese Mission sehr gefährlich sei.
Gloria hörte den Schilderungen der Königin aufmerksam zu, und als die Königin zu Ende gesprochen hatte, willigte sie ein und versprach, den Menschen zu helfen und ihnen das Licht und die Liebe zurückzubringen. Die Königin segnete das Kind mit ihrem eigenen Licht und versicherte dem Mädchen: „Egal, was geschieht, wir werden dich nicht vergessen und immer lieben.“
Dann erinnerte sich Gloria nur noch, daß sie durch einen dunklen Tunnel taumelte. Ihr kleiner Körper wurde schwerer und schwerer. Endlich fühlte Gloria, wie sie aus dem Tunnel gezogen wurde. Hände zogen an ihr, und als sie aus dem Tunnel herauskam, wurde sie mit dem Kopf nach unten geschüttelt. Sie öffnete ihren Mund, um von ihrer Mission zu erzählen, doch alles, was herauskam, war ein lang anhaltender Schrei. Sie erschrak und schämte sich dafür so sehr, daß ihr Herz ein bißchen weniger strahlte und ihr Mut etwas abnahm.
Dann fand sie sich in einem Raum wieder. Sie lag in einer kleinen Box und versuchte, den Menschen mitzuteilen, daß sie sie nicht allein lassen sollten. Aber sie vermochte nur seltsame Laute von sich zu geben. Sie wollte sagen: „Bleibt bei mir“, weil sie noch nie zuvor in ihrem Leben allein gewesen war, doch die Laute, die sie herausbrachte, hatten keinerlei Bedeutung. Ihr kleines Herz schmerzte daraufhin so sehr, daß es sich zu verschließen begann.
Gloria wurde zwar versorgt, man wechselte ihre Kleider, gab ihr zu essen und zu trinken und nahm sie auch hin und wieder in den Arm. Doch sie wurde so oft allein gelassen, daß sie vor Einsamkeit oftmals bitterlich weinte.
Die Jahre vergingen, und Gloria lernte die Sprache dieses Landes. Doch dies dauerte lange, und als sie endlich sprechen konnte, war die Erinnerung an ihren Auftrag und an das Land des Lichts und der Liebe verblaßt. Die Liebe und das Licht ihrer Herkunft konnten sie nicht mehr erreichen. Wann immer sie Sonnenstrahlen hervorbrechen sah, fühlte sie Zwar Wärme in ihrem Herzen, aber sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, warum sie die Sonne so sehr liebte.
Die Menschen, die sie jetzt umgaben, waren sehr unglücklich und ihr Leben grau, weil die Menschen
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