So nah bei dir und doch so fern
vertrug.
Entscheidend für mich war, dass ich mich wieder als Mitglied der Gesellschaft fühlte, im Pub sitzen konnte, mit den Freundinnen und Dorfbewohnern über ganz gewöhnliche Sachen redete, nicht nur über meinen Schlaganfall. Nachdem wir unsere Freitagabend-Besuche im Pub wieder eingeführt hatten, begannen die Leute, über meine langsame, bedächtige Sprechweise und den unbeholfenen Gang, beides Überbleibsel meines Schlaganfalls, hinwegzusehen und in mir die alte Kate zu erkennen.
Allerdings waren nicht alle so freundlich und duldsam. Ich erinnere mich an einen Nachmittag, als ich mir in Alisons Frisiersalon die Haare hatte machen lassen. Es war Samstag, und ich war die letzte Kundin. Als Alison ihr Geschäft dicht machte, beschlossen wir, vor dem Nachhauseweg noch schnell etwas im Pub an der Ecke zu trinken. Während Alison die Tür abschloss, ging ich schon voraus, um unsere Getränke zu bestellen. Im Pub wurde gerade ein wichtiges Spiel übertragen, und der Laden war gerammelt voll, lauter Studenten und Rugbyfans. Als ich ohne meine Krücken als Stütze langsam und mit unsicheren Schritten den Pub betrat, sah ich, wie mich die Trinker auf den Fenstersitzen anstierten. Ich hatte das eindeutige Gefühl, dass sie mich abschätzten und für stockbesoffen hielten.
Dieser Vorfall machte mir klar, wie leicht wir Menschen bereit sind, ein Urteil über andere zu fällen, die nicht unserer Vorstellung von normal entsprechen. Ich bin sicher, als Studentin hätte ich noch genauso reagiert, doch inzwischen hatte ich auf die harte Tour gelernt, dass man ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen sollte. Und wenn jemand in eine Kneipe wankt, heißt das noch lange nicht, dass er ein paar zu viel getrunken hat. Vor einem Jahr hätte ich mich vielleicht auch so verhalten, jetzt nicht mehr.
An einem anderen Abend aß ich mit Mark, Alison und deren Ehemann in unserem Indischen Restaurant und wurde zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Der ganze Tag und der Abend davor waren schon schlecht gelaufen. Es war der Tag vor Woodys siebtem Geburtstag, und ich musste die Feier organisieren. Begonnen hatte das Drama, als ich mich am Abend zuvor beim Essen an einem Fleischbällchen verschluckte. Ich wusste bereits in dem Moment, als es in meinen Rachen rutschte, dass es zu groß war und für Ärger sorgen würde. Wie das Stück Pute verklemmte es sich auf halbem Wege durch meine Speiseröhre und verursachte einen Schmerz, als sei ich in den Rücken gestochen worden. Ich versuchte es wieder mit Cola, doch es tat sich nichts. In meiner Verzweiflung zapfte ich die herausragenden medizinischen Erkenntnisse bei Google an und suchte nach Ratschlägen, wie man sich von einem festsitzenden Fleischbällchen befreien kann. Ich probierte mehrere Tipps, trank vornübergebeugt Wasser, schlürfte sogar ein rohes Ei, doch das verdammte Ding wollte sich einfach nicht bewegen. Ich spürte es in meiner Kehle.
Es war Freitagabend, und ich schätzte meine Chancen auf rasche Behandlung bei all den Betrunkenen in der Notaufnahme des Krankenhauses nicht sehr hoch ein, daher wartete ich ab und verbrachte eine unangenehme Nacht, während der der Schmerz nicht nachließ. Am nächsten Morgen hatte sich immer noch nichts bewegt, und ich begab mich in die Notaufnahme. Wieder wollten mich die Ärzte dabehalten, diesmal bis Montagmorgen, wenn der Facharzt Dienst hatte und mir mittels Endoskopie das Fleischbällchen in den Magen befördern konnte. Ich bat sie eindringlich, mich früher gehen zu lassen. Schließlich sollte am nächsten Tag Woodys Geburtstagsfeier stattfinden, und Mark war auf dem Sprung zu einer Geschäftsreise nach Südafrika.
»Ich muss noch heute Abend nach Hause«, bettelte ich.
Dankenswerterweise wurde der Facharzt herbeigerufen, der den Eingriff unter örtlicher Betäubung durchführte. Ich vermute, dass ihnen über das Wochenende Betten fehlten, und war erleichtert, als ich wieder gehen durfte.
Um 10 Uhr abends saß ich dann mit Mark, Alison und deren Ehemann in besagtem Restaurant, aß Pappadums, trank Wodka mit Cola und wartete auf meine Garnelen-Vorspeise. Seit über vierundzwanzig Stunden hatte ich nichts mehr gegessen und starb vor Hunger.
Plötzlich spürte ich einen brennenden Schmerz im Magen und sackte vornüber auf meinem Stuhl zusammen. Mark richtete mich in Panik auf, schaffte mich zum Eingang und legte mich auf die kalten Steinfliesen, während der Ober einen Rettungswagen rief. Die anderen Gäste des Restaurants müssen
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