So nah bei dir und doch so fern
Panik wir einen armen Pfleger versetzten, als er nach uns schauen wollte und wir verschwunden waren.
Selbst in den Wochen vor meiner Entlassung bereitete ich dem Pflegepersonal noch Bauchschmerzen, weil ich so lange wegblieb. Wenn ich um 16.00 Uhr zurück sein sollte, rief ich häufig an und sagte: »Ich übernachte hier. Tschüss, bis morgen früh.«
Eines Abends, nach meiner Verlegung in das Einzelzimmer, hatte ich meinen Hals zwischen den Gitterstäben eingeklemmt und musste zum Handy greifen, um Hilfe herbeizuholen. Ich hatte mich umgedreht, um auf den Summer zu drücken, damit mich eine Schwester zum Klo brachte; der Klingelknopf befand sich hinter mir an der Wand, und als ich mich zu weit zurücklehnte, blieb ich zwischen den Metallstangen hängen, sodass sie auf meine Luftröhre drückten. Zum Glück lag das Handy direkt neben meiner Hand auf dem Bett, und die Telefonnummer der Station war einprogrammiert, sodass es mir gelang, bei der Zentrale um Hilfe zu bitten. Als Oliver den Anruf annahm, hörte er eine kleinlaute, atemlose Stimme sagen: »Hier ist Kate. Ich brauche Hilfe.« Er zögerte nicht lange und befreite mich aus meiner misslichen Lage.
Bei mir brannte auch leicht die Sicherung durch, wenn es um Schwesternschülerinnen ging. Das Northern General war das wichtigste Ausbildungskrankenhaus der ganzen Gegend, und alle sechs Wochen erschien ein neuer Schwarm Schülerinnen, um vom Pflegepersonal und den Patienten in Osborn 4 zu lernen.
Ich hasste es, deren Versuchskaninchen zu sein, denn alles dauerte vier Mal so lange, wenn man in die Hände so einer Lernschwester geriet. Ihnen wurden die beschissensten Jobs übertragen wie das Wechseln meiner Windel oder die Begleitung zur Toilette oder zum Duschen, sodass meine Erniedrigung durch ihre Unerfahrenheit unnötig in die Länge gezogen wurde. Selbst eine einfache Fahrt in die Dusche dauerte eine Ewigkeit, wenn die Schülerinnen an der Reihe waren.
Es gab nur eine einzige Schülerin, die ich in mein Herz schloss. Der Grund war, dass sie meine Fingernägel lackierte, mich verwöhnte und in mein Einzelzimmer kam, um mir Witze zu erzählen. Alle anderen machten mich rasend. Als ich mit meiner Geduld schließlich am Ende war, sagte ich »Sara klein«, sie solle aufhören, Schülerinnen zu mir zu schicken.
Ein anderes Mal war ich alleine in der Dusche und verlor das Gleichgewicht, als ich nach dem Shampoo griff. Normalerweise schob mich eine Schwester in den Duschraum, betätigte die Bremse des Rollstuhls, half mir beim Aufstehen, bis ich festen Stand hatte, und überließ es mir, mich selbst zu waschen. An diesem Tag schätzte ich den Abstand zwischen mir und der Flasche falsch ein, als ich sie ohne nachzudenken aufheben wollte. Ich griff daneben und verlor das Gleichgewicht. Meine rechte Hand war nicht schnell genug, um mich abzustützen. Ich fiel wie in Zeitlupe, mein Kopf schlug mit einem Knall auf den Boden. Ich zog an der Notleine, und die Schwestern kamen, um mir aufzuhelfen.
Anschließend warfen sie mir vor, ich habe wieder versucht, die Grenzen zu verschieben. Dabei war es ein echter Unfall, der mir klarmachte, dass ich noch nicht so selbstständig war, wie ich es gerne gehabt hätte. Dennoch weigerte ich mich, den Duschstuhl zu gebrauchen, sondern nutzte lieber die Gelegenheit, stehen zu können.
Eine Woche nach dem Duschunfall stürzte ich erneut, als ich alleine aus dem Bett stieg und mich in den elektrischen Rollstuhl setzen wollte. Die Beine gaben unter mir nach, und als ich einen Satz nach vorne machte, um nach dem Nachttisch zu greifen, rutschte dieser weg. Ich prallte mit der Nase auf die Tischkante, dass Blut spritzte.
Als die Schwestern kamen, um mich aufzusammeln, bot ich einen traurigen Anblick. Der Sturz versetzte mir einen gehörigen Schrecken und machte mich ziemlich kleinlaut. Später äußerte ich mich dazu auf Facebook:
Auweia! Schon wieder ein Sturz. Habe mir eine blutige Nase geholt, ist dadurch aber nicht gerade geworden.
Obwohl ich als Patientin das Schreckgespenst schlechthin war, entwickelte ich ein starkes Band zu mehreren Vollzeitschwestern und Pflegern der Abteilung, die mich bald wie ihresgleichen behandelten, vermutlich weil ich so viel Zeit an ihrem Arbeitscomputer verbrachte. Der Pfleger, vor dem ich den größten Respekt hatte, war »Läufer«. Vielleicht lag es daran, dass er wie ich durch die Gegend rannte und wir daher von Anfang an eine Gemeinsamkeit teilten. Außerdem stellte ich fest, dass er über ein
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